MOLKEREIABWASSER
Wasser, das im Haushalt oder in der Industrie verwendet wird, kann in verschiedenem Maße verschmutzt werden. Wasser wird daneben auch als Transportmedium für Abfallprodukte verwendet. Mit wachsendem Bewusstsein für die Bedeutung besserer Wasserbehandlungsmethoden steigen die Prozessanforderungen. Die Lebensmittelindustrie trägt in hohem Maß zur Verschmutzung von Wasser bei, v. a., weil ihr Abwasser organische Schmutzfracht beinhaltet. Organische Schmutzfrachten bestehen meist zu je einem Drittel aus gelösten, kolloidal und in Suspension vorliegenden Substanzen. Anorganische Substanzen liegen dagegen gewöhnlich in Lösung vor.
ORGANISCHE VERUNREINIGUNGEN
Normalerweise wird die Konzentration organischer Verunreinigungen in der Gesamtmenge pro Volumeneinheit Abwasser angegeben. Ein weiterer, modernerer Weg ist, das Vorhandensein und die Menge organischer Substanzen in Abwasser mittels Chromatographie zu erfassen, wie z. B. über die High- Performance Liquid Chromatography (HPLC).
Die Konzentration wird jedoch üblicherweise angegeben in:
- biologischem Sauerstoffbedarf (BSB)
- chemischem Sauerstoffbedarf (CSB)
- Aschegehalt
- gesamtorganischem Kohlenstoff (TOC).
BIOLOGISCHER SAUERSTOFFBEDARF (BSB)
Der BSB bildet ein Maß für den Gehalt an biologisch abbaubaren Stoffen in Abwasser. Durch Mikroorganismen und deren Verbrauch von Sauerstoff werden diese Stoffe abgebaut. Der Sauerstoffbedarf wird über die Menge an Sauerstoff erfasst, den die Mikroorganismen über fünf (BOD5) oder sieben (BOD7), Tage hin aufnehmen, während sie die organischen Verunreinigungen im Abwasser bei 20°C abbauen. Der BSB wird in mg Sauerstoff/l oder g Sauerstoff/m3 gemessen.
Für kommunales Abwasser gilt folgender Bezug:
BOD7 = 1.15 x BOD5
CHEMISCHER SAUERSTOFFBEDARF (CSB)
Der CSB steht für die Menge an Verunreinigungen in Abwasser, die über ein chemisches Oxidationsmittel oxidiert werden können. Normalerweise werden dafür als Reagenzien stark saure Lösungen von Kaliumdichromat oder Kaliumpermanganat bei hoher Temperatur verwendet, um eine vollständige Oxidation zu gewährleisten. Der Verbrauch an Oxidationsmittel bildet einen Maßstab für den Gehalt an organischen Stoffen und wird in eine entsprechende Menge an Sauerstoff umgerechnet, wobei das Ergebnis als mg Sauerstoff/l oder g Sauerstoff/m3 festgehalten wird..
Das Verhältnis von CSB zu BSB zeigt auf, wie gut das Abwasser biologisch abbaubar ist. Kleine Werte, z. B. < 2, deuten auf relativ leicht abbaubare Substanzen hin, während für höhere Werte das Gegenteil gilt. Dies kann nicht verallgemeinert werden, jedoch gilt bei kommunalem Abwasser < 2 als typischer CSB/BSB-Wert.
Im FIL-IDF-Bulletin „Dairy Effluents", Dokument 138, 1981, berichtet Doedens, dass das CSB/BSB5 -Verhältnis für Molkereien, die in Konsummilch-, Butter- und Käsehersteller unterteilt wurden, zwischen 1,16 und 1,57 liegt; der Mittelwert beträgt 1,45. Eine weitere Unterteilung erfolgte für Milchtrocknung, Molkenpulver-, Laktose- und Kaseinproduktion, wobei das Verhältnis zwischen 1,67 und 2,34 bei einem Mittelwert von 2,14 variierte. Die grundlegende Aussage des FIL-IDF-Bulletins ist jedoch, dass der CSB/BSB-Wert einer Molkerei nicht mit ausreichender Sicherheit auf eine andere Molkerei übertragbar ist.
ASCHEGEHALT
Den Aschegehalt ermittelt man, indem zunächst die Trockenmasse in einer Probe bestimmt wird, um daraufhin die Probe zu kalzinieren (veraschen), so dass die organischen Anteile verbrennen. Der Gewichtsunterschied zeigt dann die Menge an organischer Substanz auf. Das Ergebnis wird als Prozentzahl angegeben.
GESAMTORGANISCHER KOHLENSTOFF (TOC)
Der TOC bildet ein weiteres Maß für die Menge an organischem Material. Er wird über die Messung der Menge an CO2 ermittelt, die bei der Verbrennung einer Probe anfällt, und in mg/l angegeben.
TRINKWASSER
Tabelle 22.1 ist ein Auszug aus den Richtlinien für Trinkwasserqualität, 2. Ausgabe, Band 2, „Health criteria and other supporting information", 1996 Genf, World Health Organization (WHO).
In den WHO-Richtlinien für die Trinkwasserqualität findet sich auch eine Vielzahl von mikrobiologischen und chemischen Parametern, die sich auf die Wasserqualität auswirken.
Tabelle 22.1 ist ein Auszug aus den Richtlinien für Trinkwasserqualität, 2. Ausgabe, Band 2, „Health criteria and other supporting information", 1996 Genf, World Health Organization (WHO).
In den WHO-Richtlinien für die Trinkwasserqualität findet sich auch eine Vielzahl von mikrobiologischen und chemischen Parametern, die sich auf die Wasserqualität auswirken.
Richtlinien für die Trinkwasserqualität
Element | Abk. | Richtwert mg/l |
---|---|---|
Kadmium | Cd | < 0,003 |
Arsen | As | < 0,01 |
Chrom | Cr | < 0,05 |
Blei | Pb | < 0,01 |
Quecksilber | Hg | <0,006* |
ANORGANISCHE VERSCHMUTZUNGEN
aus Salzen und werden in hohem Maß von den im Wasser vorliegenden Ionen und der im Zulaufwasser herrschenden Salzkonzentration bestimmt. Das Vorhandensein solcher Salze in Abwasser kann meist vernachlässigt werden. Moderne Abwasserbehandlungsanlagen konzentrieren sich auf die Reduktion von Stickstoff, Phosphorsalzen und Schwermetallen.
Stickstoff- und Phosphorverbindungen sind deswegen von Bedeutung, weil sie Nährstoffe für das Wachstum, speziell von Algen, in Gewässern sind. Als Auswirkung des Algenwachstums können in den Gewässern sekundäre Prozesse stattfinden, die zur Bildung weiteren organischen Materials führen, das beim Abbau einen weitaus höheren Sauerstoffbedarf zeigt als beim Abbau der primär im Abwasser enthaltenen organischen Verschmutzungen.
Schwermetalle können in hohen Konzentrationen giftig sein und die Ökosysteme darüber hinaus bereits in geringen Konzentrationen stören.
MOLKEREIABWASSER
Molkereiabwasser kann in drei Kategorien unterteilt werden:
- Kühlwasser
- Sanitärabwasser
- Industrielles Abwasser.
KÜHLWASSER
Da Kühlwasser i. d. R. frei von Verschmutzungen ist, kann es in den Ablauf für Niederschlagswasser abgeleitet werden.
SANITÄRABWASSER
Das Sanitärabwasser wird i. d. R. direkt in die Abwasserbehandlungsanlage gefördert, wobei es vorher mit dem industriellen Abwasser vermischt werden kann.
INDUSTRIELLES ABWASSER
Industrielles Abwasser entsteht durch die Be- und Verarbeitung zu Milch und Milchprodukten und durch die Reinigung der Anlagen, die in Kontakt kommen mit Milch und den daraus hergestellten Produkten. Konzentration und Zusammensetzung der Verunreinigungen werden vom Produktionsprogramm, der Arbeitsweise und der Auslegung der Prozessanlagen bestimmt.
Abwasserbehandlungsanlagen werden so ausgelegt, dass sie eine bestimmte Menge an organischen Substanzen behandeln, aber auch bestimmten Belastungsspitzen standhalten. Eine organische Substanz, nämlich Fett, birgt besondere Probleme. Neben einem hohen BSB (Rahm mit 40 % Fett hat einen BSB5 von ca. 400.000 mg Sauerstoff/l, während Magermilch auf 70.000 mg/l kommt) haftet Fett an den Wandungen der Ablaufleitungen an und verursacht Sedimentationsprobleme im Absetztank, da es an die Oberfläche steigt.
Molkereiabwasser sollte daher eine Flotationsanlage passieren, in der eine Belüftung stattfindet. Diese Methode, bei der feinst verteilte Luftblasen unter einen Druck von 400 - 600 kPa in Wasser eingebracht werden, nennt man Dissolved-Air Flotation. Die Luftblasen lagern sich an das Fett und tragen es schnell an die Oberfläche, wo es abhängig von der Größe der Anlage von Hand oder automatisch abgeschöpft wird. Die Flotationsanlage befindet sich oft nahe an der Molkerei, die Abwässer durchlaufen sie in kontinuierlichem Strom.
Das entfettete Abwasser kann mit dem Sanitärabwasser vermischt werden, das der Abwasserbehandlungsanlage zugeführt wird. Tabelle 22.2 listet den BSB für einige Milcherzeugnisse auf.
BSB einiger Milchprodukte
Produkt | BSB5 mg/ l | BSB7 mg/ l | |
---|---|---|---|
Rahm | 40% Fett | 400.000 | 450.000 |
Vollmilch | 4% Fett | 120.000 | 135.000 |
Magermilch | 0,05% Fett | 70.000 | 80.000 |
Molke | 0,05% Fett | 40.000 | 45.000 |
Molkenkonzentrat | 60% TS | 400.000 | 450.000 |
PH-WERT VON MOLKEREIABWASSER
Der pH-Wert von Molkereiabwasser bewegt sich als Folge des Einsatzes von sauren oder alkalischen Lösungen für die Reinigung zwischen 2 und 12.
Niedrige und hohe pH-Werte beeinflussen die Aktivität der Mikroorganismen, die die organischen Verschmutzungen in der biologischen Klärstufe der Abwasserbehandlungsanlage abbauen und sie in organischen Klärschlamm (Zellabfall) umwandeln.
In der Regel darf Abwasser mit pH-Werten über 10 und unter 6,5 nicht in die Abwasserleitungen/Kanalisation abgegeben werden, da es die Rohrleitungen korrodieren würde. Die verwendeten Reinigungslösungen werden daher normalerweise in einem Mischtank aufgefangen, der sich oft nahe an der CIP- Anlage befindet. Hier wird der pH-Wert gemessen und auf ca. 7,0 eingestellt, bevor der Tankinhalt in das Abwassersystem läuft.
Richtwerte für die Abwassereinleitung
Einleitung in Fluss/See | Einleitung ins Meer | Einleitung in kommunale Systeme | |
---|---|---|---|
Ammoniumstickstoff, mg/l | 1 – 5 | < 10 | < 100 |
Gesamtstickstoff, mg/l | < 25 | 10 – 15 | 80 – 100 |
Gesamtphosphor, mg/l | 0,3 – 0,5 | 0,5 – 1,5 | 10 – 30 |
BSB7, mg/l O2 | 10 – 15 | 15 – 20 | 500 – 2000 |
pH | 6 – 9 | 6 – 10 | > 6,5 |
Fettanteil, mg/l | < 1 | < 1 | < 100 |
REDUZIERUNG DER VERUNREINIGUNGEN IM ABWASSER
ZurMinimierungderSchmutzfrachtinMolkereiabwasserstehenvieleMöglichkeiten zur Verfügung. Geschlossene Kreisläufe, Wiederverwendung von Wasser oder Fahren von Produkt/Wasser-Gemisch über Membranfiltrationsanlagen sind nur einige Beispiele dafür, wie die Abwasserbelastung reduziert werden kann. Ultra- und Mikrofiltration sind in vielen Molkereien im Einsatz, um CIP-Lösungen zu reinigen und wiederverwenden zu können. Kondensat aus Eindampfern kann sehr gut für andere Zwecke im Produktionswerk eingesetzt werden.
In einer Molkerei müssen Vergeudungen von Wasser und Produkt ständig überwacht und verhindert werden.
Versteckte Wasserverluste in Unterböden und unter Flur verlegten Leitungen lassen sich durch Erfassen des Wasserzulaufs und Aufzeichnung der verwendeten Menge am Ende jedes Produktionstages aufdecken.
Die täglichen Wasserverbräuche sollten dann mit den täglichen Milchverarbeitungsmengen abgeglichen werden. Der Wasserverbrauch in Kubikmetern je Tonne Milchverarbeitung sollte grafisch aufgezeichnet werden. Das typische Wasser: Milch-Verhältnis liegt bei 2:1. Bei intensiver Wassereinsparung kann man aber bis hinunter zu einem spezifischen Wasserverbrauch von 1:1 kommen.
Die folgenden generellen Empfehlungen dienen als Leitlinie zur Reduzierung von Wasserverbrauch und Produktverlust:
MILCHBEARBEITUNG ALLGEMEIN
- Bei der Milchannahme, v. a., wenn Tankfahrzeuge geleert werden, muss der Auslauf des Sammelwagens mindestens 0,5 m über dem Einlauf des aufnehmenden Tanks liegen. Der Abtankschlauch darf nicht durchhängen, damit der Tanker komplett geleert wird.
- Alle Rohrleitungen sind zu identifizieren und zu kennzeichnen, um falsche Verbindungen zu verhindern, die zu unerwünschten Vermischungen von Produkten führen würden, und um Milchleckagen vorzubeugen.
- Rohre sollten mit einem vorausberechneten leichten Gefälle verlegt werden, damit sie von selbst leer laufen. Zudem müssen die Leitungen gut gehaltert sein, um Vibrationen vorzubeugen, die ansonsten die Verbindungen lockern und so zu Milchleckagen führen würden.
- Alle Tanks sollten mit Füllstandskontrollen ausgestattet sein, um ein Überlaufen zu verhindern. Wird der höchst zulässige Füllstand erreicht, muss entweder die Förderpumpe automatisch gestoppt, der Bediener alarmiert oder ein automatisches Ventilsystem aktiviert werden, das das Produkt auf einen anderen, vorgewählten Tank leitet.
- Produktleckagen sind besser gleich zu vermeiden, als dass sie später mit dem Schlauch weggespült werden. Fußböden sollten trocken gehalten werden, so dass Leckagen leichter entdeckt werden.
- Man sollte sich vergewissern, dass Leitungen und Tanks völlig geleert sind, bevor sie mit Wasser gespült werden.
- Rohrverbindungen sind auf Luftdichtigkeit zu prüfen. Tritt Luft in das System, kommt es zu stärkerer Ansatzbildung in den Erhitzern, Kavitation in Homogenisatoren und Schaumbildung in Milch- und Rahmtanks (die dann schwieriger komplett zu leeren sind).
KÄSEREI
- Offene Käsewannen sollten nicht komplett, sondern nur bis zu max. 10 cm unter dem Rand gefüllt werden.
- Molke sollte komplett aufgefangen und kommerziell verwertet werden, statt sie ins Abwasser zu leiten.
- Auf den Boden gefallener Käsebruch sollte aufgesammelt und zum festen Abfall gegeben, nicht aber durch den Gully in das Abwasser gespült werden.
BUTTEREI
- Rahm und Butter haften an Oberflächen stärker an als Milch und führen zu stärkerer Abwasserbelastung, sofern Produktreste nicht vor der Reinigung entfernt werden.
- Am Ende der Butterproduktion sollten alle zugänglichen Oberflächen von Hand gesäubert werden.
- Rahm und Restbutter lassen sich mit Dampf und Heißwasser entfernen und in einem separaten Behälter auffangen.
MILCHTROCKNUNG
- Die Eindampfer sollten mit der kleinstmöglichen Leistung gefahren werden, um Überhitzung zu verhindern.
- Kondensat kann nach Passieren eines Kühlturms als Kühlwasser oder als Kesselspeisewasser wiederverwendet werden.
- Pulvrige Produktreste sollten zusammengekehrt und zum festen Abfall gegeben werden.
MILCHABFÜLLUNG
- Die Füller können mit Abläufen ausgestattet werden, die in einen oder mehrere Behälter führen.
- Rücklaufware kann aus den Packungen in Behälter geleert werden, das Gemisch aus süßen und sauren Produkten lässt sich über die Verfütterung verwerten.
KONTROLLE DES KLÄRWASSERS
In vielen Ländern ist die Entsorgung von Abwasser gesetzlich geregelt. So muss z. B. eine kontinuierliche Kontrolle und Dokumentation des eingeleiteten Klärwassers hinsichtlich der eingeleiteten Menge erfolgen; zudem muss eine zum Ablaufstrom proportionale Probemenge gesammelt werden.
Abb. 22.1 skizziert ein System zur Messung des Stroms in einem offenen Kanal mit einem Venturi-Rohr. Eingehendere Informationen dazu wie auch zu anderen Messeinrichtungen geben die für Abwasser zuständigen Stellen der kommunalen Behörden. Ein Beispiel für eine Probenahmeeinrichtung zeigt Abb. 22.2.
Gemäß der im Venturi-Rohr ermittelten Wassermenge werden Signale über eine Kontrolleinheit an das Probenahmegerät übermittelt. Eine anteilige Menge des Stroms wird als Probe gezogen, sobald eine bestimmte Menge an Wasser (z. B. 100 I) den Durchflussmesser passiert hat. Die Tagesproben werden gemischt und nach einer optionalen Wartezeit wird ein Teilvolumen der Mischprobe analysiert.
ABWASSERBEHANDLUNG – ALLGEMEINER ÜBERBLICK
Für die Abwasserbehandlung stehen verschiedene Möglichkeiten zur Disposition; die Wahl der Methode ist abhängig von der geforderten Klärleistung. Abb. 22.3 zeigt vier mögliche Systeme. Bei der Planung einer neuen Anlage sollten die lokalen Behörden schon früh in die Diskussion um Abwasserbehandlung und BSB-Werte im eingeleiteten Wasser einbezogen werden.
Abwasserbehandlung in ihrer ursprünglichen Form bedeutet nur Entfernung fester Verunreinigungen durch mechanische Sedimentation (A). Als man diese Art der Abwasserbehandlung für unzureichend befand, wurde sie um eine biologische Stufe ergänzt (B), um die organischen Verbindungen abzubauen.
Später wurden viele Abwasserbehandlungsanlagen um eine dritte Stufe zur chemischen Behandlung (C) ergänzt, als die Immission von Phosphor zum Problem wurde. Der Prozess in Anlagen dieser Art wird als Nachfällung bezeichnet, da der chemische Ausfällungsschritt am Ende der Behandlung steht.
Erfahrungen zeigten aber, dass man das gleiche Ergebnis erhält, wenn man die chemische Ausfällung mit der mechanischen Behandlung im ersten Schritt kombiniert. Dieses Verfahren wird als Vorausfällung bezeichnet (vgl. Abb. 22.3.2).
Dieser Aufbau bildet auch eine starke Rationalisierung im Prozess, da der größte Teil der Abwasserbehandlung in einem Schritt erfolgt. In Vorsedimentationsbecken werden der Phosphorgehalt bereits um 90 % und der BSB um 75 % reduziert. Daher erfährt die biologische Klärstufe nur eine deutlich geringere Belastung, was Einsparungen bei Energie und Beckenvolumen ergibt.
1 Nachfällung
Konventioneller Dreistufenprozess mit mechanischer (A), biologischer (B) und chemischer (C) Behandlung. Effektiv und zuverlässig, aber relativ teuer.
2 Vorfällung
Ein in den 80er Jahren entwickelter zweistufiger Prozess, in dem in der ersten Stufe (A) die chemische (C) mit der mechanischen Behandlung kombiniert wird. Dies führt zu starker Phosphorausfällung und zu einer 70%igen Reduzierung des BSB. Dadurch verringert sich die Last für die biologische Stufe (B), die deshalb mit einem kleineren Beckenvolumen und Energieverbrauch auskommt als die konventionelle Nachfällung.
3 Direktfällung
Einstufiger Prozess mit kombinierter mechanischer (A) und chemischer (C) Behandlung wie bei der Vorfällung, aber ohne biologische Klärstufe.
4 Simultanfällung
Zweistufiger Prozess mit mechanischer Behandlung (A), gefolgt von einer kombinierten biologisch-chemischen Stufe (B/C). Ein relativ preiswertes Verfahren zur Phosphatentfernung ohne Bedarf für ein zusätzliches Becken, aber weniger effizient als eine getrennte biologische und chemische Behandlung.
MECHANISCHE BEHANDLUNG
Die erste (mechanische) Stufe einer Abwasserbehandlung umfasst Gitter, Sandfang und Vorsedimentation.
Das Gitter fängt sperrige Bestandteile wie Kunststoffteile, Stofffetzen, Lebensmittelreste usw. auf. Diese werden kontinuierlich vom Gitter entfernt und separat entsorgt, meist über die Deponie.
Der Sandfang ist ein Becken, in dem eine Feststoffabtrennung erfolgt. Es ist so ausgelegt, dass Sand und andere schwere Teilchen Zeit finden, um sich auf dem Boden abzusetzen, während Fett und andere Verunreinigungen, die leichter als Wasser sind, an die Oberfläche aufsteigen. Das Sediment wird abgepumpt und die aufschwimmende Schicht wird von Schiebern abgezogen. Auch diese Abfallbestandteile werden separat entsorgt.
In den Sandfang wird Luft eingeblasen, z. T., um Feinpartikel in Suspension zu halten, z. T., um üblen Geruch verursachende Fäulnisprozesse zu verhindern.
CHEMISCHE BEHANDLUNG
Der grundlegende Zweck einer chemischen Abwasserbehandlung, auch als Fällung bezeichnet, besteht im Entfernen von Phosphor aus Wasser. Kommunale Abwassersysteme sammeln i. d. R. 2,5 bis 4,0 g Phosphor pro Person und Tag, v. a. in Form von Phosphaten. Reinigungsmittel tragen 30 % zur Phosphorlast bei; der Rest stammt aus menschlichen Exkrementen und Lebensmittelresten.
Eine chemische Fällung mit auf Eisen und Aluminium basierenden Flockungsmitteln kann fast 100 % des Phosphors im Abwasser entfernen, während eine konventionelle biologische Klärung den Phosphorgehalt nur um 20 - 30 % reduziert.
Die Ausfällung beginnt in Flokkulationstanks, in denen die Flockungsmittel zugesetzt und gründlich über Rührwerke eingemischt werden. Dies führt zur Ausfällung unlöslicher Phosphate, zunächst als sehr feine Partikel, die sich aber allmählich zu größeren Flocken zusammen lagern. Diese Flocken setzen sich in Vorklärbecken ab, aus denen ein klarer Überstand in die nachfolgenden Becken zur biologischen Klärung übertritt.
Die Vorsedimentation ist der letzte Schritt in einer kombiniert mechanisch-chemischen Behandlung. Das Wasser fließt langsam durch ein oder mehrere Becken, in denen sich die feinen Partikel allmählich als Primärschlamm am Boden absetzen.
Die Sedimentationsbecken sind mit Geräten ausgestattet, die das Sediment kontinuierlich in einen Sumpf austragen, sowie mit Transversalrinnen, die das Wasser aus der gereinigten Oberflächenschicht abführen.
BIOLOGISCHE BEHANDLUNG
Die verbleibenden, organischen Verunreinigungen im Überstand aus der chemischen Behandlung werden mit Hilfe von Mikroorganismen, d. h. Bakterien, abgebaut, die sich von den organischen Stoffen im Wasser ernähren.
Diese Mikroorganismen benötigen Sauerstoff, um ihre Funktion zu erfüllen. Dieser wird im Belüftungsbecken eingeblasen.
Die Mikroorganismen vermehren sich beständig und bilden einen Aktivschlamm. Dieser wird aus dem Wasser durch Absetzen in Nachklärbecken entfernt. Der größte Teil davon wird in die Belüftungsbecken rezirkuliert. Der Überschussschlamm wird aus dem Prozess zur Weiterbehandlung entfernt, während das geklärte Abwasser in die kommunale Entsorgung eingeleitet wird.
Eine Alternative zum Belüftungsbecken ist der biologische Filter, der im Prinzip ein mit Steinen oder Kunststoffstücken gefüllter Behälter ist. Das Wasser wird über einen rotierenden Sprühkopf auf den Filter aufgetragen, rinnt durch das Filterbett und wird durch Luftumwälzung oxidiert. Eine Schicht aus Mikroorganismen bildet sich auf den Oberflächen der Steine aus und baut die organischen Verunreinigungen im Wasser ab.
SCHLAMMBEHANDLUNG
Seit Anfang der 90er Jahre steht die Behandlung des Klärschlamms im Fokus. In einigen Ländern wurde eine thermophile Schlammbehandlung bei 70 - 75 °C gefordert, um gefährliche Mikroorganismen abzutöten.
Der Schlamm aus den verschiedenen Schritten der Abwasserbehandlung wird in Eindickungstanks gesammelt, wobei Chemikalien zugesetzt werden, um eine bessere Aggregation der festen Teilchen zu erreichen.
Um organische Stoffe und übel riechende Substanzen weiter abzubauen, wird der Schlamm in eine anaerobe Fermentation gegeben, die Kohlendioxid und Methan sowie kleinere Mengen an Wasserstoff, Ammoniak und Hydrogensulfid erzeugt.
KohlendioxidundMethansinddieHauptbestandteiledesFermentationsgases, das als Brennstoff für Heizzwecke genutzt werden kann.
Fermentationsschlamm ist eine homogene, praktisch geruchlose, dunkle Substanz, die noch immer eine hohe Feuchtigkeit von 94 - 97 % enthält. Er wird daher entwässert, am besten über einen Dekanter, der eine Feststoffphase von nur noch einem Achtel des Ausgangsvolumens ausstößt (vgl. Abb. 22.5).
Der entwässerte Schlamm kann als Dünger oder Füllmaterial verwendet, oder aber einfach als Abfall entsorgt werden. Der Schlamm kann auch integrierter Teil eines biologischen Systems zur Energiegewinnung sein (z. B. Salix), da er große Mengen an Pflanzennährstoffen enthält.