MILCHERZEUGUNG
GRUNDNAHRUNGSMITTEL FÜR EINE WACHSENDE WELTBEVÖLKERUNG
Bei Milch handelt es sich um ein komplexes Lebensmittel, das lebenswichtige Nährstoffe für junge Säugetiere enthält. Milch bildet im ersten Lebensabschnitt das einzige Nahrungsmittel für ein junges Säugetier. Ihre Inhaltsstoffe liefern Energie und die zum Schutz vor Infekten notwendigen Antikörper. Bei Menschen leisten Milch und Milchprodukte einen erheblichen Beitrag zur Deckung des Bedarfs des menschlichen Körpers an Kalzium, Magnesium, Selen, Riboflavin, Vitamin B12 und Pantothensäure (Vitamin B5) und spielen daher bei unserer Entwicklung eine wesentliche Rolle.
URSPRÜNGE DER MILCHPRODUKTION
Die heutigen Milchtiere wurden über Jahrtausende hin aus wilden Vorfahren heraus gezüchtet, die auf verschiedenen Breiten- und Längengraden teilweise unter extremen klimatischen Bedingungen lebten. Die bei der Produktion der Milch von Kühen, Ziegen, Schafen und Büffeln verwendeten Verfahren haben ihren Ursprung vor etwa sechstausend Jahren. Dieselben Tierarten werden auch heute noch für die Milcherzeugung genutzt. Diese Pflanzenfresser stellten die naheliegende Wahl dar, um den menschlichen Bedarf an Nahrung und Kleidung zu decken, da sie weniger gefährlich und daher einfacher zu halten waren als Fleischfresser. Die für die Milchproduktion genutzten Tiere sind Wiederkäuer, die große Mengen an Futter schnell fressen und später verdauen.
Das weltweit verbreitetste Milchtier ist die Kuh, die man auf allen Kontinenten der Welt findet. Zu den weiteren Tieren, die in der Regel sowohl zur Deckung des eigenen Bedarfs als auch für die industrielle Milchwirtschaft genutzt werden, zählen Ziegen, Schafe und Büffel. Die Milch dieser Tiere als Quelle für hochwertiges Eiweiß und andere Bestandteile ist für die ländliche Bevölkerung von hoher Bedeutung. Schafe und Ziegen sind beispielsweise im Mittelmeerraum und in weiten Teilen Afrikas und Asiens von ganz besonderer Bedeutung. Die Zahl der Schafe und Ziegen auf der Welt geht in die Milliarden. Sie sind als Milch- und Fleisch liefernde Nutztiere am zahlreichsten vertreten. Darüber hinaus leisten sie in den ärmsten Gebieten einen beachtlichen Beitrag zur Milch- und Fleischproduktion: Beide Tierarten stellen eine preiswerte Nahrungsquelle dar und werden überwiegend in Regionen gehalten, in denen klimatische, topografische, wirtschaftliche, technische oder soziologische Faktoren die Entwicklung fortgeschrittener Systeme zur Erzeugung von Nahrungseiweiß begrenzen.
NÄHRWERTEIGENSCHAFTEN VON MILCH
Zu den wertvollen Mineralien und Vitaminen der Milch zählen Eisen und Vitamin D. Ihr Anteil und ihre Menge reichen für eine vollwertige Ernährung jedoch nicht aus. Während der ersten Lebensmonate gleicht das Jungtier den Mangel an bestimmten Nährstoffen in der Milch daher mit seinen Reserven aus, die es von der Mutter während der Schwangerschaft erhalten hat und die in der Regel, bis seine Ernährung andere Nahrungsmittel umfasst, ausreichend sind. Die Nährstoffe sind für eine leichte Aufnahme und Verdaulichkeit in flüssigem Zustand, teilweise als Lösung, teils als Dispersion oder Suspension, verfügbar. Auch wenn die Milchbestandteile selbst fast immer die gleichen sind, variieren sie in ihrer Ausgewogenheit von Säugetier zu Säugetier jedoch sehr.
Die Mengen der verschiedenen Hauptbestandteile von Rohmilch können bei Kühen zwischen verschiedenen Rassen und selbst zwischen einzelnen Kühen derselben Rasse beträchtlich variieren. Wasser ist der Hauptbestandteil und Träger aller anderen Bestandteile. Kuhmilch besteht aus rund 87 % Wasser und 13 % Trockenmasse, die in Wasser gelöst ist. Neben dem Begriff „Gesamtfeststoffgehalt" wird der Begriff „fettfreie Trockenmasse" in Beschreibungen der Milchzusammensetzung verwendet.
Die Zusammensetzung der Milch (g/100g) verschiedener Tierarten:
Tierart | Wasser | Fett | Kasein | Laktose | Asche | Molkeprotein |
---|---|---|---|---|---|---|
Kuh | 87,3 | 4,4 | 2,8 | 4,6 | 0,7 | 0,6 |
Büffel | 82,2 | 7,8 | 3,2 | 4,9 | 0,8 | 0,6 |
Schaf | 82,0 | 7,6 | 3,9 | 4,8 | 0,9 | 0,7 |
Ziege | 86,7 | 4,5 | 2,6 | 4,4 | 0,8 | 0,6 |
Mensch | 87,1 | 4,6 | 0,4 | 6,8 | 0,2 | 0,7 |
Kühe
Das Erbgut der Art Bos Taurus hat sich seit der Verwendung der Kuh als Nutztier vor sechstausend Jahren stark verändert. Die bedeutendste Veränderung ist, dass die milchgebende Kuh von heute viel mehr Milch gibt, als ihr Kalb benötigt. Die genetische Entwicklung hat zu einer enorm gestiegenen Milchproduktion geführt. Die modernen Kühe von heute produzieren etwa sechsmal so viel Milch wie ursprüngliche Kuhrassen. Noch vor etwa dreißig Jahren hätte eine Kuh in der Regel um die 4.000 Kilogramm Milch pro Kalb produziert, wohingegen Kühe von heute im Durchschnitt zwischen 7.000 und 12.000 Kilogramm Milch produzieren. Einige Kühe können pro Kalb gar bis zu 14.000 Liter Milch oder mehr liefern. Genauere Kenntnisse über die Bedeutung des Herdenmanagements und des Wohlbefindens der Milchtiere sowie eine optimierte Fütterung haben zu dieser genetischen Entwicklung beigetragen.
So wie bei allen Säugetieren auch, produzieren Kühe Milch für ihren Nachwuchs. Die Produktion von Milch steht daher in engem Zusammenhang mit dem Fortpflanzungszyklus. Eine Kuh muss zunächst abgekalbt haben, bevor sie beginnen kann, Milch zu produzieren. Kühe erreichen im Alter von sieben oder acht Monaten die Geschlechtsreife und werden dann als Färsen bezeichnet. Die Färsen werden in der Regel im Alter von 15 bis 18 Monaten für die Zucht eingesetzt, entweder durch natürliche Fortpflanzung mit einem Bullen oder durch künstliche Befruchtung. Färsen gebären ihr erstes Kalb im Alter von 2 bis 2,5 Jahren. Die Tragezeit beträgt in der Regel 265 bis 300 Tage. Sie werden üblicherweise vier bis acht Wochen nach dem Abkalben erneut gedeckt.
MILCHSEKRETION UND LAKTATIONSPERIODE
Milch wird im Kuheuter gebildet, einem halbkugelförmigen Organ, das durch eine Gewebefalte in zwei Hälften geteilt ist. Jede Hälfte wird über eine Querfalte in Viertel geteilt. Jedes Viertel besitzt eine eigene Zitze mit einer eigenen Milchdrüse. Daher kann man theoretisch vier verschiedene Milchqualitäten von ein und derselben Kuh erhalten. Ein Querschnitt durch das Euter ist in Abb. 1.1 dargestellt.
Das Euter besteht aus Drüsengewebe, das milchproduzierende Zellen enthält. Die Außenschicht des Gewebes ist muskulär. Es liefert so den Halt am Körper und schützt das Euter vor Verletzungen. Das Drüsengewebe enthält etwa 2 Milliarden winziger Bläschen, die als Alveolen bezeichnet werden. Die milchproduzierenden Zellen sitzen an den Innenwänden der Alveolen, die ihrerseits in Gruppen zwischen 8 und 120 angeordnet sind. Kapillaren führen aus den Alveolen und laufen in immer größeren Kanälen zusammen, die in einem Hohlraum über der Zitze enden. Dieser Hohlraum, die sog. Euterzisterne, kann bis zu 30 % der gesamten im Euter vorhandenen Milch halten.
Die Zisterne besitzt einen Kanal, der bis zur Zitzenmündung führt und daher Zitzenzisterne genannt wird. Am Ende der Zitze befindet sich ein 1 bis 1 ,5 cm langer Kanal. Zwischen den Melkzeiten ist der Zitzenkanal geschlossen und verhindert, dass Milch austritt und Bakterien ins Euter eindringen. Das gesamte Euter ist mit Blut- und Lymphgefäßen versorgt. Sie führen nährstoffreiches Blut vom Herzen zum Euter, wo sie von Kapillaren um die Alveolen verteilt werden. Auf diese Weise werden die milchproduzierenden Zellen mit den nötigen Nährstoffen versorgt, um Milch bilden zu können. Das „verbrauchte" Blut wird durch die Kapillaren zu den Venen gefördert und zum Herz zurückgeführt. Durch das Euter strömt täglich eine große Blutmenge. Bei einer Kuh, die täglich 60 Liter Milch produziert, müssen etwa 30.000 Liter Blut durch die Milchdrüse zirkulieren.
Bei der Bildung der Milch in den Alveolen steigt deren Innendruck. Wird die Kuh nicht gemolken, stoppt die Milchbildung, wenn ein bestimmter Grenzwert erreicht ist. Der Druckanstieg drängt eine kleine Milchmenge hinaus in die größeren Milchgänge und in die Zisterne. Die meiste Milch ist jedoch in den Alveolen und den feinen Kapillaren um die Alveolen enthalten. Deren Durchmesser ist so gering, dass die Milch nicht eigenständig fließen kann. Die Milch muss vielmehr aus den Alveolen und durch die Kanäle in die größeren Gänge gepresst werden. Muskelähnliche Zellen um jede Alveole erledigen dies während des Melkens (vgl. Abb. 1.2).
Die Milchsekretion setzt im Kuheuter kurz vor dem Abkalben ein, sodass das Kalb quasi sofort nach der Geburt saugen kann. Die Kuh gibt dann für etwa 10 Monate (ca. 305 Tage) Milch. Diese Periode wird als Laktation bezeichnet. Während der Laktationsperiode sinkt die Milchleistung nach und nach ab, nach ca. 305 Tagen kann sie bis auf 15 bis 25 % des Spitzenwertes fallen. Hier wird das Melken gestoppt, um der Kuh eine laktationsfreie Zeit von ca. 60 Tagen vor dem erneuten Abkalben zu geben. Mit dem Abkalben beginnt eine neue Laktationsperiode.
Das Euter umfasst auch ein Lymphsystem. Durch dieses werden die Stoffwechselendprodukte aus dem Euter abtransportiert. Die Lymphknoten besitzen eine Filterfunktion gegen Fremdstoffe und bilden Lymphozyten zur Infektionsabwehr. Zuweilen leiden erstmals kalbende Kühe unter Ödemen, die teilweise durch die im Euter vorhandene Milch verursacht werden, welche die Lymphknoten zusammendrückt.
KOLOSTRUM
Kälber werden ohne einen eigenen Immunschutz geboren, da sich ihr Immunsystem erst langsam entwickelt. Als Reaktion darauf produziert die Kuh nach dem Abkalben eine Milch, die sich stark von der normalen Milch sowohl hinsichtlich Zusammensetzung als auch Nährwerteigenschaften unterscheidet – das sog. Kolostrum. Die Kälber sind darauf angewiesen, dass die Mutter sie über das Kolostrum mit lebensnotwendigen Antikörpern und Immunoglobulinen versorgt. Antikörper sind globuläre Proteine, die vom Immunsystem des Körpers zur Abwehr von Krankheiten gebildet werden. Jedes einzelne Tier unterscheidet sich von anderen in seiner Fähigkeit, Antikörper zu bilden und dadurch Krankheiten zu bekämpfen. Tiere, die unzureichend mit Kolostrum versorgt werden, sind äußerst anfällig für Darminfektionen und daraus folgende Durchfälle.
Ein Kalb benötigt für sein normales Wachstum etwa 1.000 Liter Milch. Dies entspricht in etwa der Menge, die die „Urkuh" für jedes Kalb bildete. Zur Veranschaulichung der MilchproduktioneinereinzelnenKuhwird die Milchleistung grafisch gegen die Zeit Arge- stellt, um eine Laktationskurve zu erhalten. Auf eine während der ersten Monate nach dem Abkalben steigende Milchleistung folgt anschließend ein langer Zeitraum, in dem die Milchleistung kontinuierlich zurückgeht. Die Form der Laktationskurve unterscheidet sich dabei von Tier zu Tier und auch von Rasse zu Rasse. Auch Fütterung und Pflege der Tiere beeinflussen die Form der Kurve und wirken sich spürbar auf die Gesamtmenge der produzierten Milch aus. Die Laktation dauert idealerweise 305 Tage, ist jedoch in der Praxis meist länger, gefolgt von einer zweimonatigen Trockenperiode vor dem nächsten Kalben.
MELKEN
Um eine Entleerung des Euters auszulösen, muss beim Melken das Hormon Oxytocin im Blutkreislauf der Kuh freigesetzt werden. Dieses Hormon wird in der Hirnanhangdrüse gebildet und gespeichert. Wird die Kuh durch die richtigen Reize auf das Melken vorbereitet, geht ein Signal an die Drüse, die dann Oxytocin freisetzt und in den Blutkreislauf entlässt. Bei der „Urkuh" wurde der Reiz durch die Saugversuche des Kalbes ausgelöst. Oxytocin wird freigesetzt, wenn die Kuh das Saugen des Kalbes spürt. Eine moderne Milchkuh hat normalerweise kein Kalb neben sich, ist aber auf das Reagieren auf andere Reize, wie zum Beispiel Geräusche, Gerüche und Eindrücke, die mit dem Melken in Verbindung stehen, konditioniert.
Das Oxytocin beginnt ca. eine Minute nach der Eutervorbereitung zu wirken, und veranlasst die muskelähnlichen Zellen zum Zusammenpressen der Alveolen. Dies erzeugt Druck im Euter, der auch mit der Hand gefühlt werden kann. Man bezeichnet dies als Einschießen der Milch. Der Druck drängt die Milch hinab in die Milchzisterne, von wo sie in den Zitzenbecher der Melkmaschine gesaugt oder beim manuellen Melken durch die Finger ausgepresst wird. Der Effekt des Einschieß-Reflexes lässt allmählich nach, wenn das Oxytocin im Blut abgebaut wird. Nach 5 bis 8 Minuten hört er ganz auf. Das Melken sollte daher genau in dieser Zeit erfolgen. Dauert die Melkprozedur länger, um die Kuh ganz leer zu melken, führt dies nur zu einem unnötigen Stress auf das Euter, die Kuh wird irritiert und kann in der Folge schwerer zu melken sein.
Das Milchfett besteht hauptsächlich aus Triglyzeriden, die aus Glyzerin und Fettsäuren synthetisiert werden. Die langkettigen Fettsäuren werden vom Blut aufgenommen. Die kurzkettigen Fettsäuren werden in der Milchdrüse aus den Bestandteilen Azetat und beta-Hydroxybuttersäure synthetisiert, die dem Blut entnommen werden. Das Milchprotein wird aus Aminosäuren synthetisiert, die ebenfalls dem Blut entnommen werden, und besteht hauptsächlich aus Kaseinen und zu einem kleineren Teil aus Molkeproteinen. Die Laktose wird in der Milch bildenden Zelle aus Glukose und Galaktose synthetisiert. Vitamine, Mineralien, Salze und Antikörper werden vom Blut über das Zytoplasma in alveoläres Lumen umgewandelt.
MELKFREQUENZ
Aufgrund der Arbeitsstrukturen und Arbeitszeiten war das zweimal tägliche Melken lange Zeit die gängige Praxis in Industrienationen. In Ländern, in denen die Kosten für Arbeitskräfte niedrig sind, wird oft häufiger gemolken. In den letzten Jahrzehnten wurde der Schwerpunkt zunehmend auf häufigeres Melken gelegt, insbesondere bei Milchviehbeständen mit hoher Milchleistung. Das häufigere Melken bietet viele Vorteile.
Der Umstieg vom zweimal täglichen Melken auf dreimal tägliches Melken führt zu einer deutlich höheren Milchproduktion. Veröffentlichte Daten belegen, dass Kühe bei einem zusätzlichen Melkvorgang 5 bis 25 % mehr Milch pro Kuh und Tag produzieren können. Außerdem verläuft die Laktationskurve gleichmäßiger und länger. Ein Grund für die Steigerung der Milchmenge durch das häufigere Melken könnte die häufigere Ausschüttung der Hormone sein, welche die Milchbildung in der Milchdrüse stimulieren. Wie zuvor erwähnt, enthält die Milch jedoch einen Inhibitor (Hemmstoff) mit einer negativen Feedbackkontrolle, durch den die Milchbildung unterdrückt wird. Die häufigere Entfernung dieses Inhibitors führt daher zu einer höheren Milchproduktion. Kühe mit einer kleinen Euterzisterne reagieren empfindlicher auf Veränderungen der Melkfrequenz. Kleinere Euterzisternen sind empfindlicher gegenüber häufigem Ausmelken.
Häufiges Melken hat sowohl kurz- als auch langfristige Auswirkungen. Kurzfristig steigt die Milchproduktion aufgrund der erhöhten Aktivität in den Milch bildenden Zellen. Langfristig steigt die Milchproduktion aufgrund der erhöhten Anzahl der Milch bildenden Zellen. Letzteres weist darauf hin, dass es möglich ist, die Anzahl der Milch bildenden Zellen während einer bestehenden Laktation zu beeinflussen, was für die Kapazität der Milchproduktion eines Tieres von Bedeutung ist.
Zu den bedeutendsten Vorteilen des häufigeren Melkens zählt das gesteigerte Wohlbefinden der Tiere. Es wurde beobachtet, dass sich Tiere mit einer hohen Milchleistung in der Regel einige Stunden vor dem Melken nicht hinlegen. Darüber hinaus produzieren Hochleistungskühe bis zu 60 Kilogramm Milch pro Tag und werden zweimal am Tag in einem Intervall von 8 bis 16 Stunden gemolken. Diese Kühe geben allein beim morgendlichen Melken fast 40 Kilogramm Milch. Kühe mit einer solch hohen Milchmenge in der Milchdrüse sind einem hohen Euterdruck ausgesetzt, was zweifelsohne Unwohlsein verursacht. Es wurde auch beobachtet, dass es Hochleistungskühe bevorzugen, häufiger als zwei- oder dreimal täglich gemolken zu werden, wenn sie die Wahl haben.
MELKTECHNIK
TRADITIONELLES MELKEN MIT DER HAND
Auf Bauernhöfen rund um die Welt erfolgt das Melken wie seit Tausenden von Jahren noch immer manuell. Die Kühe in Kleinbetrieben werden meist von denselben Personen täglich gemolken und gewöhnen sich an ihren Melker. Das Einschießen der Milch wird durch die bei den Melkvorbereitungen typischen Geräusche stimuliert. Die ersten Strahlen aus jeder Zitze werden zumeist verworfen. Über eine sorgfältige Sichtprüfung der ersten Milch kann der Melker die Eutergesundheit prüfen.
Zwei gegenüberliegende Viertel der Euter werden gleichzeitig gemolken: Eine Hand presst die Milch aus der Zitzenzisterne, wonach der Druck gelockert wird, um der Milch den Weg aus der Euterzisterne frei zu machen. Gleichzeitig wird Milch aus der anderen Zitze gepresst. Auf diese Art werden die beiden Zitzen abwechselnd gemolken. Sind die beiden Viertel leer, geht der Melker auf die beiden anderen Viertel über.
Die Milch wird in Eimern aufgefangen und durch einen Filter in eine 30- bis 50-Liter- Kanne gegossen, um grobe Verunreinigungen zu entfernen. Die Kannen werden dann auf eine Temperatur von 4° C heruntergekühlt und bis zum Transport zur Molkerei gelagert. Tauch- oder Sprühkühler sind die gängigsten Kühlmethoden.
KONVENTIONELLE MELKSYSTEME
Das Prinzip einer Melkmaschine ist in Abb. 1.3 erklärt. Die Melkmaschine entzieht der Zitze die Milch durch Vakuum. Eine Vakuumpumpe, ein Vakuumgefäß, ein Milchsammelbehälter, Zitzenbecher und ein Pulsator sind die wesentlichen Bauteile einer Melkmaschine.
Die Zitzenbechereinheit besteht aus einem Becher mit einem sog. eingezogenen Zitzengummi. An das mit der Zitze in Kontakt stehende Zitzengummi wird beim Melken ein konstantes Vakuum von ca. 50 kPa (50 %iges Vakuum) angelegt.
Der Druck in der Pulsationskammer (zwischen Zitzengummi und Zitzenbecher) wird durch den Pulsator regelmäßig zwischen 50 kPa in der Saug- und atmosphärischem Druck in der Massagephase eingestellt. Als Ergebnis wird die Milch in der Saugphase aus der Zitzenzisterne gezogen. In der Massagephase wird das Zitzengummi zusammengepresst, um so eine Massagewirkung auf die Zitze zu entfalten. Dem folgt eine weitere Saugphase usw., wie in Abb. 1.4. veranschaulicht wird.
Die Entspannung während der Massagephase ist nötig, um ein Ansammeln von Blut und Lymphflüssigkeit in der Zitze zu vermeiden. Eine solche Stauung wäre für die Kuh schmerzhaft und kann Milchabgabe sowie Milchleistung beeinträchtigen. Wiederholte Stauungen bei aufeinanderfolgenden Melkzeiten kann auch die Eutergesundheit schädigen. Der Pulsator schaltet ca. 50 bis 60 Mal pro Minute zwischen Saugen und Massieren um.
Die vier Melkbecher, die an einem sog. Milchsammelstück angebracht sind, haften durch Vakuum und Reibung zwischen Zitze und Zitzengummi. Vakuum wird abwechselnd (Wechseltaktpulsierung) an die linken und rechten Zitzen, manchmal auch an die vorderen und hinteren Zitzen angelegt. Das gleichzeitige Anlegen von Vakuum an allen vier Zitzen (simultane Pulsierung) erfolgt eher selten. Die Milch wird von den Zitzen direkt in den Melkeimer transportiert oder über eine Vakuumtransportleitung in den Sammelbehälter gefördert.
Ein automatisches Abschaltventil verhindert das Einsaugen von Schmutz, sollte der Zitzenbecher während des Melkens abfallen. Nach dem Melken wird der Melkeimer in die Milchkammer gebracht und in eine Kanne oder einen speziellen Hoftank gegossen und gekühlt. Um das schwere und zeitraubende Transportieren voller Melkeimer in die Milchkammer zu umgehen, kann ein Rohrleitungssystem zum direkten Transport der Milch in die Milchkammer eingebaut werden (vgl. Abb. 1.5). Diese Systeme sind heute Standard. Sie erlauben den Milchtransport in einem geschlossenen System direkt von der Kuh in den Sammeltank der Milchkammer. Aus hygienischer Sicht bietet dies große Vorteile.
Unabhängig davon, ob das Melksystem auf Eimern, Rohrleitung oder Vollautomatisierung basiert, ist es von großer Wichtigkeit, dass es so ausgelegt ist, dass während des Melkens keine Luftleckagen auftreten. Zu großer Lufteintrag kann die Milchqualität beeinträchtigen und zu einem höheren Gehalt an freien Fettsäuren führen. Die maschinelle Melkanlage ist außerdem mit einer CIP-Reinigung (Cleaning in Place) ausgerüstet.
AUTOMATISCHE MELKSYSTEME
Das Melken ist eine der arbeits- und zeitintensivsten Aufgaben der Milchwirtschaft. Zudem muss es das ganze Jahr über mindestens zweimal am Tag stattfinden. Automatische Melksysteme (Abb. 1.6) stellen eine Lösung für dieses Problem dar, da sie Erzeugerbetrieben mit großen Milchviehbeständen verringerte Arbeitskosten, eine höhere Milchqualität, verbesserte Tiergesundheit und erhöhte Ausbeute bieten. Im Gegensatz zum konventionellen Melken, bei dem der Mensch die Kuh zur Milchabgabe anregt, legen automatische Melksysteme den Schwerpunkt auf die Neigung der Kuh, sich mehrere Male am Tag in einer Art Selbstbedienung melken zu lassen. Abb. 1.8 zeigt eine typische Auslegung eines modernen Milchbetriebs mit automatischem Melksystem.
Will die Kuh gemolken werden, geht sie in die Melkstation. Ein Sender an der Kuh identifiziert sie, wurde sie erst vor kurzem gemolken, wird sie wieder in den Ruhe- oder Fütterungsbereich des Hofes geleitet. Die Kuh betritt die automatische Melkstation, wo ihr eine individuell auf sie bemessene Kraftfutterportion gegeben wird. In einem automatischen Melksystem (bzw. einem „Melksystem mit freier Zeitauswahl durch die Kuh") werden die Zitzen über Laser und ein Kamerasystem lokalisiert. Die Zitzen werden beispielsweise einzeln über ein zitzenbecherähnliches Gerät (Abb. 1.7) mit lauwarmem Wasser gereinigt, das mit einem bestimmten wechselnden Druck und Turbulenz versprüht wird, um eine gründliche Reinigung zu gewährleisten. Das Trocknen der Zitzen erfolgt im selben Zitzenbecher über Druckluft.
Das Vormelken übernimmt der Reinigungszitzenbecher, der am Ende vom Reinigungszyklus ein Vakuum anlegt. Schließlich werden die Reinigungszitzenbecher noch mit Wasser gespült. Sensoren zeigen an, ob ein Vormelken erfolgt ist. Das Vormelken dauert einige Sekunden, um sicherzustellen, dass genügend Milch angesogen und der Milchreflex ausgelöst wurde. Die Zitzenbecher für das eigentliche Melken werden automatisch nacheinander angehängt. Die Milch aus den vier Eutervierteln wird getrennt gehalten, bis ein Milchmengenzähler jeweils das Volumen aus jedem Viertel bestimmt hat. Die letzte Phase des automatischen Melkens bildet das Besprühen jeder Zitze mit Desinfektionsmittel.
MILCHQUALITÄT UND TIERGESUNDHEIT
Kühe produzieren Milch in der Regel über drei Laktationsperioden. Eine Voraussetzung für eine wirtschaftliche Produktion von Milch besteht darin, eine relativ hohe Milchleistung bei hoher Milchqualität für die Dauer der vom Milchbauern geplanten Tierhaltung zu wahren und jegliche Ursache für eine unfreiwillige Keulung zu vermeiden. Dies bedeutet also eine hohe Produktion von gesunden Tieren, die nicht an irgendeiner Art von Krankheit leiden. Die Mastitis (Euterentzündung) ist die bei Milchviehbeständen am häufigsten vorkommende und kostspieligste Erkrankung. In vielen Fällen sind dem Milcherzeuger nur klinische Fälle bekannt.
Berichten zufolge beläuft sich die Zahl der klinischen Fälle von Mastitis pro Jahr auf 20 bis 100 Fälle auf 100 Kühe. Subklinisch erkranken 5 bis 35 % der Euterviertel, infiziert von Hauptkrankheitserregern. Eine Mastitis mit deutlichen Krankheitszeichen (klinisch) lässt sich vom Milcherzeuger recht leicht feststellen. Zu den Symptomen zählen eine Gerinnung und Verfärbung der Milch sowie das Hart- und Rotwerden oder Anschwellen der Milchdrüse. Bei schweren Fällen von Mastitis leidet die Kuh unter Fieber und Appetitlosigkeit. Eine Mastitis mit nur geringen klinischen Krankheitszeichen (subklinisch) ist schwieriger festzustellen, da sowohl die Milch als auch das Euter normal erscheinen, während die Zahl der somatischen Zellen in der Milch steigt.
Die Mastitis ist eine Entzündung der Milchdrüse, die durch eine bakterielle Infektion oder ein Trauma verursacht wird. Bakterien setzen beim Wachsen Stoffwechselprodukte und Toxine frei, die die Abwehrmechanismen der Kuh stimulieren. Die Entzündungsreaktion führt dazu, dass weiße Blutkörperchen aus der peripheren Blutzirkulation in das Euter wandern. Die Anzahl der Zellen in der Milch steigt pro Euterviertel von 100.000 Zellen oder weniger pro Milliliter auf bis zu mehrere Millionen Zellen. Der Anstieg der Zellen wird von einer Aktivierung verschiedener Milchenzyme begleitet.
OPTIMALER KUHKOMFORT FÜR HOHE MILCHQUALITÄT
Die Produktion von qualitativ hochwertiger Milch steht in engem Zusammenhang mit dem Wohlbefinden eines Tieres. Der Komfort wurde als einer der wichtigsten Einflussfaktoren für die Qualität und Milchleistung erkannt. Beobachtungen und Erfahrungen zeigen, dass Kühe, die in einem komfortablen Umfeld untergebracht sind, mehr Milch geben und insgesamt gesünder und länger leben. Dazu sollten sie über reichlich Qualitätsfutter und Wasser, frische Luft, eine weiche und saubere Ruhefläche und festen Boden für sicheren Halt verfügen. Sie sollten sich so natürlich wie möglich verhalten können und sich leicht hinstellen oder ablegen können. Mastitis, wunde Hufe, abgescheuerte Halspartien sowie gescheuerte oder geschwollene Fesselgelenke können auf ein Problem beim Kuhkomfort hinweisen.
Ein wichtiger Aspekt bei der Haltung von Tieren sind das Wohlergehen der Tiere und die sog. fünf Rechte. Die fünf Rechte nehmen Bezug auf den idealen Gesundheitszustand von Tieren und umfassen:
- das Recht auf Fütterung und Tränkung
- das Recht auf Wohlbefinden
- das Recht auf Schmerz- und Verletzungsfreiheit und Gesundheit
- das Recht auf normales Verhalten
- und das Recht auf eine Behandlung, die weder Angst noch Leid verursacht
Zu einem guten Wohlbefinden des Tieres gehört es, dass ein Tier sowohl in physiologischer als auch psychischer Hinsicht einen guten Gesundheitszustand aufweist und keinem unnötigen Leid ausgesetzt wird (FAWC, 2009). Das Konzept des Kuhkomforts in der Milchwirtschaft umfasst sowohl das Wohlbefinden der Tiere als auch die Produktivität. Dementsprechend sollten Milcherzeuger dafür sorgen, ein Umfeld für die Kuh zu schaffen, in dem das Risiko für die Kuh, an Hunger, Durst, Unbehagen oder Schmerzen zu leiden, auf ein Minimum reduziert wird. Ein Umfeld für Milchkühe zu schaffen, in dem sie sich wohlfühlen, ist sowohl aus Sicht des Tierschutzes als auch aus wirtschaftlicher Sicht enorm wichtig. Neben der Größe des Stalls hängt der Stallkomfort für die Kühe auch von der Art und Qualität des gewählten Einstreumaterials ab. Das Einstreu sollte Wärmekomfort und Weichheit bieten, aber dennoch strapazierfähig sein und über ausreichende Reibung verfügen, um ein Aufstehen und Hinlegen zu ermöglichen, ohne dass die Kuh dabei Gefahr läuft auszurutschen. Das Einstreumaterial sollte auch dazu beitragen, Kühe sauber und gesund zu halten und dabei gleichzeitig die Arbeitsanforderungen zu minimieren.
Wie die ideale Gestaltung eines komfortablen Umfelds für Milchkühe aussieht, wird zunehmend erforscht. Beobachtungen und Erfahrungen aus der Vergangenheit haben gezeigt, dass Kühe, die in einem komfortablen Umfeld untergebracht sind, mehr Milch geben und insgesamt gesünder und länger leben.
In der Milchwirtschaft wird häufig der Begriff „Cow Longevity" (Langlebigkeit von Kühen) verwendet, um zu beschreiben, wie lange eine Kuh im Milchviehbestand verbleibt. Es liegt nahe, die gesamte Lebenserwartung des Tieres in die Zeit vor und nach dem ersten Kalben aufzuschlüsseln. 2007 waren Kühe amerikanischer Milchviehbestände beim ersten Kalben durchschnittlich 25,2 Monate alt (US-Landwirtschaftsministerium, USDA, 2007). Damit lag das Durchschnittsalter etwas unter dem Alter von 25,4 Monaten des Jahres 2002 und sechs Monate unter dem Durchschnittsalter von 25,8 Monaten in 1996. Im Jahr 2012 betrug das Durchschnittsalter immer noch etwa 25,5 Monate (Heinrichs und Jones, 2013). Durch das Alter beim ersten Kalben wird die erwartete Lebensdauer eines neugeborenen Kalbs leicht überschätzt, es muss jedoch dabei berücksichtigt werden, dass etwa 15 % der Färsen vor dem ersten Kalben gekeult werden.
Unter „Keulung" versteht man den Abgang von Tieren aus dem Viehbestand aufgrund von Verkauf, Schlachtung, vorsorglichem Töten einzelner Tiere zur Rettung des Viehbestands oder aufgrund von Tod (Fetrow et al., 2006). Unter einer produktiven Lebensdauer wird die Zeit vom ersten Kalben bis zum Keulen verstanden. Sie wird als Kehrwert der (Kuh-)Keulungsquote berechnet. 2013 lag die jährliche Keulungsquote bei etwa 38 % (Dairy Records Management Systems, DRMS, 2013) und blieb über Jahre recht konstant (USDA, 2013; Abb. 1). Diese entspricht einer produktiven Lebensdauer von 2,63 Jahren bzw. 31,6 Monaten. Die durchschnittliche Lebensdauer einer Kuh beträgt in den USA etwa 57,1 Monate bzw. 4,8 Jahre.
Laut Daten des US-Landwirtschaftsministeriums verringerte sich die produktive Lebensdauer von 35 Monaten bei 1960 geborenen Kühen auf etwa 40 % bei in 2000 geborenen Kühen (USDA-AIPL, 2013). 1930 lag die jährliche Keulungsquote durchschnittlich bei etwa 25 % (Cannon und Hansen, 1939). Die natürliche Lebenserwartung, bei der Rinder an Altersschwäche sterben, beträgt bis zu 20 Jahre. Eine kürzere Lebenserwartung ist im Wesentlichen auf wirtschaftliche Entscheidungen von Milcherzeugern zurückzuführen. Milcherzeuger keulen Kühe, wenn diese nicht länger profitabel sind bzw. sie werden durch profitablere Kühe ersetzt.
DIE BEDEUTUNG DES ZITZENGUMMIS UND DER SCHLAUCHAUSFÜHRUNG
Bei einer Melkmaschine stellt das Zitzengummi das einzige Teil der Melkanlage dar, das in direkten Kontakt mit dem Tier kommt. Die Qualität und Eigenschaften des jeweiligen Zitzengummis haben großen Einfluss auf die Melkleistung und allgemeine Tiergesundheit. Darüber hinaus werden die Leistung und Hygiene gefährdet, wenn Zitzengummis über die empfohlene Melkdauer hinaus verwendet werden. Die erste Voraussetzung bezieht sich auf die Anlagentechnik. Die Zitzengummis sollten in Bezug auf das Milchsammelstück und das Spülset für die Melkgeschirrreinigung zur Betriebsausrüstung passen. Zu den weiteren Überlegungen, die Berücksichtigung finden sollten, zählen die durchschnittliche Zitzen- und Eutergröße des Milchviehbestands.
Kühlung der milch
Milch verlässt das Euter mit einer Temperatur von ca. 37 °C. Frisch gemolkene Milch von einer gesunden Kuh ist praktisch frei von Bakterien, sie muss aber nach dem Verlassen des Euters vor einer Kontamination geschützt werden. Mikroorganismen, die die Milch verderben können, sind allgegenwärtig – auf dem Euter, auf den Händen des Melkers, auf Luftstaubpartikeln und in Wassertropfen, auf Stroh und Häcksel, auf den Kuhhaaren und im Boden. Gewöhnlich wird die Milch vor dem Aufbewahren im Tank gefiltert.
Eine wirksame Kühlung der Rohmilch nach dem Melken ist am besten geeignet, um bakterielles Wachstum zu verhindern (Abb. 1.9). Verschiedene Kühlsysteme sind erhältlich, die Auswahl hängt von der erzeugten Milchmenge ab. Ein Kannenkühler (vgl. Abb. 1.10) eignet sich für kleine Erzeuger. Er wird in Betrieben, die mit Kaltwasser kühlen, und in Betrieben, die direkt in die Kanne melken, verwendet. Der Tauchkühler kann Milch in Kannen wie auch in Hofbehältern kühlen. Das Kühlaggregat ist an der Wand befestigt (Abb. 1.11).
Der Verdampfer befindet sich am unteren Ende des Tauchkörpers. Der Tauchkühler kann auch für eine indirekte Kühlung verwendet werden, z. B. zum Kühlen von Wasser in Isolierbecken. Die Milch wird in Transportkannen gekühlt, die in diese Becken gestellt werden. Isolierte Hoftanks für Tauchkühler gibt es in stationärer und fahrbarer Ausführung (Abb. 1.12). Verhindern die Straßenbedingungen die Zufahrt eines Tankfahrzeugs, kann ein fahrbarer Behälter für den Transport der Milch zu einer passenden Sammelstelle verwendet werden. Fahrbare Behälter sind leicht zu transportieren und eignen sich daher gut für das Melken auf der Weide. Tanks mit Direktverdampfung (Abb. 1.13) können ebenso zum Kühlen und Lagern der Milch eingesetzt werden.
Um Milch von hoher mikrobiologischer Qualität zu erzeugen, muss auf Hygienebelange besondere Rücksicht genommen werden. Trotz aller Vorkehrungen ist es aber fast unmöglich, Bakterien von der Milch fernzuhalten. Milch stellt einen ausgezeichneten Nährboden für Bakterien dar, denn sie enthält alle Nährstoffe, die diese benötigen. Daher beginnen sie sich, sobald sie in die Milch gelangen, zu vermehren. Andererseits enthält die Milch, die die Zitzen verlässt, bestimmte originäre Bakterizide, die die Milch nach dem Melken zunächst gegen die Einwirkung von Mikroorganismen schützt. Es dauert auch eine gewisse Zeit, bis sich die infizierenden Mikroorganismen an das neue Medium angepasst haben und bevor sie beginnen können zu wachsen.
Es ist wichtig, die Temperatur der Milch bei der Lagerung niedrig zu halten. Die Aktivität von Mikroorganismen wird sich wieder erhöhen, sobald die Temperatur um einige Grad über die empfohlene Lagertemperatur steigt. Abb. 1.14 zeigt die Wachstumsrate der Bakterien im Laufe der Zeit bei unterschiedlichen Temperaturen. Sprüh- oder Tauchkühler werden üblicherweise in Betrieben verwendet, die Milch in Kannen an Molkereien liefern. Bei der Sprühkühlung werden die Außenseiten der Kannen mit zirkulierendem Kaltwasser besprüht, um die Milch kühl zu halten. Der Tauchkühler besteht aus einer Kühlschlange, die in die Kanne eingelassen wird. Kaltwasser zirkuliert durch die Kühlschlange, um die Milch auf der erforderlichen Temperatur zu halten.
Beim Einsatz von Melkmaschinen wird die Milch in der Regel in speziellen Milchtanks auf dem Hof gesammelt. Es steht eine Vielzahl von Milchtanks mit eingebauter Kühlvorrichtung in verschiedenen Größen zur Verfügung, die eine Kühlung auf eine bestimmte Temperatur innerhalb einer vorgegebenen Zeit gewährleisten sollen. Diese Tanks sind häufig mit Vorrichtungen für eine automatische Reinigung ausgestattet, um einen gleichbleibend hohen Hygienestandard zu gewährleisten. In großen Betrieben und Sammelzentren, wo große Milchmengen (über 5.000 Liter) rasch von 37 °C auf 4 °C heruntergekühlt werden müssen, kann die Kühlanlage von Hoftanks nicht mehr ausreichen. In diesen Fällen dient der Tank nur der Kühllagerung. Ein Großteil der Kühlleistung erfolgt über Wärmetauscher in der Förderleitung (Abb. 1.15).
Büffel
Büffel werden schon seit Jahrhunderten zur Milcherzeugung genutzt. Sie sind die in Asien und bestimmten Teilen Afrikas am weitesten verbreiteten Milchtiere. Es gibt viele verschiedene Büffelrassen. Die jeweils dominierende variiert von Region zu Region. Weltweit werden ca. 150 Millionen Büffel gehalten, von denen 145 Millionen in Asien leben. Die meisten Büffel befinden sich auf kleinen Farmen und bilden dort eine Quelle für ein bescheidenes Zusatzeinkommen.
In Indien liegt die Herdengröße in der Regel bei einem oder zwei Büffeln, in Nordindien werden von einem Familienbetrieb meist 10 bis 15 Tiere gehalten. Dort gibt es auch ein gut entwickeltes System für die Büffelmilchsammlung. Am Rande indischer Großstädte sind große Farmen mit 100 bis 300 Büffeln zu finden. In Indien, Pakistan und Südostasien ist Büffelhaltung sehr verbreitet. Aber auch in Ägypten, Rumänien, der Türkei und Italien wird Büffelhaltung betrieben. In Indien, Pakistan und Ägypten stammen 50 bis 65 % aller erzeugten Milch von Büffeln. Schätzungen zufolge werden weltweit 17 % der Gesamtmilcherzeugung von Büffelkühen geleistet. Nur 6 % der in Indien produzierten Büffelmilch wird verarbeitet, der Großteil wird auf dem Erzeugerhof verbraucht oder unbehandelt auf der Straße verkauft. Milch von Büffeln kann wie Kuhmilch verarbeitet werden. Ihre thermische Stabilität ist aber geringer, sodass ein Milchgemisch aus Kuh- und Büffelmilch für die UHT-Behandlung vorzuziehen ist.
LAKTATION, SEKRETION UND
MILCHLEISTUNG
Die in der Laktationsperiode erzeugte Milchmenge der Büffel kann je nach regionaler Gegebenheit und Futtergrundlage variieren. Büffel in Indien und China produzieren in der Laktationsperiode nur 450 bis 500 kg, während andere, z. B. auf spezialisierten Farmen an indischen Universitätsbetrieben über 1.700 kg Milch produzieren. In Italien können sie sogar auf bis zu 3.000 kg kommen. Die Laktationszeit schwankt zwischen 217 Tagen in Ägypten und 270 bis 295 Tagen in Indien.
Laktierende Büffelkühe bilden Milch in gleicher Weise wie andere domestizierte Milchtiere. Die Anatomie der Büffelzitzen weicht geringfügig von der der Kuhzitzen ab. Der Muskel um den Strichkanal ist dicker, sodass es mehr Kraft bedarf, den Kanal zu öffnen. Daher sind Büffel „schwer zu melkende" Tiere. Die Milch wird im oberen, drüsenartigen Teil des Euters in den Alveolen und kleinen Drüsengängen gehalten. Zwischen den Melkzeiten wird keine Milch in der Euterzisterne gespeichert. Daher gibt es bei Büffeln auch keine Zisternenmilch. Die Milch tritt nur beim Milcheinschießen in die Zisterne ein. Das gleiche Phänomen findet man bei den chinesischen Gelbkühen und Yaks. Die Zusammensetzung der Büffelmilch unterscheidet sich von der der Kuhmilch. Der größte Unterschied besteht im Fettgehalt, da Büffelmilch bestimmter Rassen bis zu 13 % Fett enthalten kann. Büffelmilchfett hat einen höheren Schmelzpunkt als Kuhmilchfett als Folge ihres höheren Gehaltes an gesättigten Fettsäuren. Phospholipide und Cholesterin sind dagegen in geringerer Konzentration enthalten, sodass Büffelmilch im Vergleich zur Kuhmilch gegen oxidative Veränderungen beständiger ist. In den ersten Tagen nach dem Abkalben produzieren Büffelkühe das Kolostrum. Kolostrum von Büffeln hat eine Trockenmasse von bis zu 30 % und enthält wertvolle Eiweiße. Die Produktion des Kolostrums erstreckt sich meist über drei Tage, in denen sich die Zusammensetzung der Milch allmählich hin zur gewöhnlichen Milch ändert. Auch Büffelkolostrum sollte nicht an eine Molkerei geliefert werden.
EIGENSCHAFTEN
Büffelmilch ist reicher an den meisten Hauptmilchbestandteilen als Kuhmilch. Auch der Gehalt an Eiweiß, Laktose und Asche ist in Büffelmilch leicht höher als in Kuhmilch. Büffelmilch enthält Vitamin A, aber im Gegensatz zur Kuhmilch kein ß-Carotin.
MELKTECHNIK
Das Melken von Büffeln ist keine schwierige Aufgabe, sofern man nicht die für Kühe üblichen Techniken anwendet, da Büffel etwas andere Melkmethoden benötigen. Das Handmelken wird meist auf kleinen Familienhöfen betrieben. Wichtig ist, dass eine sanfte und angenehme Melktechnik angewendet wird. Beim Handmelken muss der größere Widerstand des Zitzenmuskels überwunden werden. Seit Jahrzehnten wird insbesondere in südeuropäischen Ländern wie Italien, in denen aus Büffelmilch hergestellte Milchprodukte wie beispielsweise Mozzarellakäse Bestandteil des täglichen Speiseplans sind, auch bei Büffeln die Melkmaschine eingesetzt. In den letzten Jahren wird die Melkmaschine aber auch für Farmer in Asien und Afrika interessanter. Das Euter und die Zitzen der Büffelkühe unterscheiden sich von dem der Kühe. Man benötigt ein schwereres Milchsammelstück, ein höheres Betriebsvakuum und eine schnellere Pulsierung.
Schafe
Unter den vielen Schafrassen werden einige zwar hauptsächlich zur Erzeugung von Fleisch und Wolle gehalten, aber auch hin und wieder gemolken. Dies sind dann auch Milchschafrassen, doch liegt ihre Milchproduktion abhängig von den Haltungsbedingungen in der Laktationsperiode nicht über 100 kg. Andererseits kann die Milchmenge bei einigen Fleischrassen in der Laktationsperiode bis zu 150 oder 200 kg betragen.
Es gibt aber auch einige Rassen, die man wegen ihrer hohen Milchleistung und leichten Melkbarkeit als Milchschafe klassifizieren kann. Hierunter finden sich Rassen wie Lacaune in Frankreich, Ostfriesen in Deutschland, Awassi im Nahen Osten und Tsigai in Russland und den umliegenden Staaten, Rumänien, Ungarn und Bulgarien. Von den Ostfriesen- und Awassi-Schafen werden Milchleistungen von 500 bis 1.000 kg pro Laktationsperiode berichtet.
Nach Schätzungen entsprechen 8 bis 10 Milchschafe der durchschnittlichen Milchleistung einer Kuh. Herdengrößen von bis zu 200 Mutterschafen findet man bei intensiv betriebenen Familienhöfen, während Herdengrößen von 300 bis 400 Mutterschafen als passende Produktionseinheit gelten. Großerzeuger können Tausende von Schafen halten, aber die Zahl der in einer Herde gehaltenen Tiere sollte wegen der aufwändigen Melkarbeit 1200 nicht übersteigen. Eine gut funktionierende und robuste Melkanlage sowie hocheffiziente Melkarbeit sind von größter Wichtigkeit, ebenso wie die Qualität des Herdenmanagements.
Ein Schaf bleibt ca. 4 bis 5 Jahre in der Herde. Die Tragezeit liegt bei ungefähr 5 Monaten. Die meisten Rassen bekommen im Schnitt 1,5 bis 2 Lämmer pro Jahr. In Entwicklungsländern liegt diese Zahl unter 1 Lamm pro Jahr. Schaflämmer sind im Alter von 6 bis 8 Monaten fortpflanzungsfähig.
LAKTATION, SEKRETION UND
MILCHLEISTUNG
Zahlen über Milchleistung und Laktationsperioden aus verschiedenen Quellen zeigen eine große Bandbreite zwischen den einzelnen Rassen wie auch innerhalb einzelner Rassen. Anhaltspunkte für geringe und hohe Durchschnittsleistungen können 0,4 bis 2,3 kg je Mutterschaf und Tag und 100 bis 260 Tage Laktation sein.
Laktierende Schafe sekretieren Milch auf dieselbe Weise wie andere laktierende Haustiere. Schafmilch ist mit 30 % Trockenmasse reicher an den meisten Haupt- milchbestandteilen als Kuhmilch. Variationen in der Schafmilchzusammensetzung hängen zumeist wie bei Milchkühen von Rasse, Einzeltier und Laktationsphase ab. In den ersten Tagen nach dem Ablammen produzieren Schafe das Kolostrum. Dieses hat eine Trockenmasse von bis zu 40 % und enthält die wichtigen Eiweiße Albumin und Immunoglobulin. Das Kolostrum wird gewöhnlich drei bis vier Tage lang produziert, wobei sich die Zusammensetzung allmählich hin zur normalen Milch ändert. Kolostralmilch sollte nicht an die Molkereien geliefert werden.
EIGENSCHAFTEN
Die Fettkügelchen in Schafsmilch liegen in der Größe von 0,5 bis 25 μm, der größte Teil aber zwischen 3 und 8 μm, d. h. sie sind fast doppelt so groß wie in Kuhmilch. Das Fett der Schafsmilch hat einen höheren Gehalt an Octan-und Kaprinsäure als das der Kuhmilch. Dies ist der Hauptgrund für das spezifische Aroma und den besonderen Geschmack der Schafmilchprodukte.
Schafmilch ist eine typische Kaseinmilch. Sie enthält im Durchschnitt 4,5 % Kasein und nur ein Prozent Molkenprotein. Das Verhältnis von Kasein zu Molkeneiweiß unterscheidet sich bei Schafmilch mit 82:18 etwas von dem der Kuhmilch mit 80:20. Die spezifische Dichte beträgt 1 ,032 bis 1 ,040. Dies ist vor allem auf den hohen Gehalt an fettfreier Milchtrockenmasse zurückzuführen. Der Säuregrad ist wegen des hohen Eiweißgehaltes hoch. Der pH-Wert liegt zwischen 6,5 und 6,8.
MELKTECHNIK
Die Anatomie des Schafeuters unterscheidet sich von dem der Kuh. Das Schafeuter besteht aus zwei Hälften mit je einer Zitze. Während Kühe meist von Hand und mit der Maschine leicht zu melken sind, sind Schafe bei beiden Verfahren schwerer zu melken. Ein wichtiger Grund dafür ist, dass die Zitzen vieler Schafe horizontal ausgerichtet sind. Ein ideales Euter hat die Zitzen an den untersten Stellen der Euterhälften. Abb. 1.16 zeigt Beispiele verschiedener Formen von Schafeutern.
Einige Rassen haben nur wenig Milch in der Zisterne (1.17). Dies führt dazu, dass die Melkbarkeit in hohem Maße vom Funktionieren des Einschießreflexes abhängt. Wie bei Kühen wird der Milchfluss durch das Hormon Oxytocin freigesetzt, das die muskelähnlichen Zellen in den Alveolen komprimieren lässt. Dies erzeugt einen Druck im Euter. Der Milcheinschuss dauert bei Schafen nur sehr kurz an, bis zu zwei Minuten (im Gegensatz zu 8 Minuten bei Kühen) abhängig von Rasse und Laktationsstadium.
In kleinen Herden wird zumeist von Hand gemolken. Die Effizienz des Melkens ist sehr stark vom Milchfluss abhängig. Ein guter Melker kann in einer Stunde 20 bis 40 Schafe mit langsamem Milchfluss (Lacaune-Rasse) melken, aber auch 40 bis 100 Schafe mit gutem Milchfluss (Manech-Rasse). Milcherzeuger mit mehr als 150 Schafen nutzen in der Regel Melkmaschinen, um sich die harte Arbeit des Handmelkens zu ersparen. Das Arbeitsprinzip der Schafmelkmaschinen ist denen für Kühe ähnlich, außer dass das Melkvakuum niedriger und die Pulsationsraten viel höher sind. Die gebräuchlichsten Typen sind Kannenmelkanlagen, mobile Melkanlagen und Rohrmelkanlagen (vgl. Abb. 1.18, 1.19 and 1.20). Bei der Kannenmelkmaschine ist das Vakuumsystem fest platziert, die Kanneneinheit ist beweglich. Die 20 bis 40 Liter fassende Kanne dient dem Transport der Milch in den Lagertank. Der Pulsator kann am Kannendeckel montiert sein. Ein Rückschlagventil im Kannendeckel lässt Lufteinsaugen aus dem Eimer zu. Eine Kannenmelkmaschine kann eine bis drei Kannen pro Melker führen. Die normale Leistung eines Melkers mit zwei Kannen liegt bei 70 Schafen pro Stunde. Diese Art der Anlage reicht für kleine Herden mit bis zu 140 Tieren aus. Bei einer Rohrleitungsanlage kann die Melkleitung im Stall hoch- oder niedrighängend verlaufen. Die Melkleistung hängt von der Auslegung des Melkstandes ab. Die mobile Melkeinheit eignet sich für kleine Herden und das Melken auf der Weide, oder wenn Schafe an verschiedenen Orten gemolken werden müssen. Die Anlage hat dieselbe Leistung wie die Kannenmelkanlage. Sie besteht aus einem kompletten Vakuumsystem, einer Antriebsquelle (Elektro- oder Verbrennungsmotor), einem Melkgeschirr, Milchbehälter (Kanne) und Pulsationssystem, die alle auf einen Transportwagen montiert sind. Beim Melken wird der Transportwagen hinter 4 bis 8 Schafen abgestellt. Die beiden drehbaren Halter werden nach außen hinter die Schafe geschwenkt und das Melkgeschirr von hinten angehängt.
Ziegen
Die Ziege war wahrscheinlich der erste Wiederkäuer, der als Haustier gehalten wurde. Ziegen stammen aus Asien und sind heute fast über die ganze Welt verbreitet. Es sind sehr genügsame Tiere. Sie gedeihen auch in Regionen, die für andere Tierarten kaum in Frage kommen. Anders als Schafe sind Ziegen keine Herdentiere. Es gibt zahlreiche Ziegenrassen, aber keine spezielle Milchrasse. Die schweizerischen Rassen Saanen, Alpine, Toggenburg und Chamois wurden jedoch erfolgreich für höhere Milchleistungen gezüchtet. Deswegen wurden sie weltweit exportiert, um sie mit lokalen Rassen zu kreuzen.
LAKTATION, SEKRETION UND MILCHLEISTUNG
In einer gut geführten Produktionsherde, kann eine Ziege in der Laktation 400 bis 1.300 kg Milch geben. Die Länge der Laktation schwankt von 200 bis 300 Tagen. Die harte und unbequeme Arbeit des Handmelkens wird durch Maschinen erleichtert. Um eine solche Investition zu rechtfertigen, sollte jedoch eine gewisse Zahl an Tieren gehalten und eine gewisse Milchmenge erzeugt werden. Für einen rentablen Familienbetrieb sind je nach lokalen Gegebenheiten 50 bis 150 Ziegen erforderlich. Ein kommerzielles Unternehmen erfordert eine größere Zahl an Tieren, d. h. 200 bis 1.000 Ziegen. Eine intensive und lohnende Produktion, gleich ob Familienbetrieb oder Unternehmen, basiert darüber hinaus nicht nur auf geeigneten Melkanlagen, sondern auch auf effektivem Management, einer wirtschaftlichen Fütterung und wirksamen Zuchtprogrammen.
Ziegen sekretieren Milch auf dieselbe Weise wie andere Milchtiere. Die Zusammensetzung der Ziegenmilch wird wie bei anderen Rassen auch durch verschiedene Faktoren beeinflusst. Aus Tabelle 1.1 ist zu entnehmen, dass die Zusammensetzung der Ziegenmilch im Prinzip ähnlich der der Kuhmilch ist. In Ziegenmilch liegt das Kasein-Molkenproteinverhältnis mit 75:25 jedoch niedriger als bei Kuhmilch mit 80:20. Der relativ höhere Gehalt an Molkeneiweiß weist darauf hin, dass Ziegenmilch möglicherweise erhitzungsempfindlicher ist. Der pH-Wert von Ziegenmilch liegt in der Regel zwischen 6,5 und 6,7.
Die Ziege hat wie das Schaf ein zweigeteiltes Euter (Abb. 1.21) mit je einer Zitze. Verglichen mit dem Schaf sind die Zitzen von Ziegen generell etwas länger und am untersten Punkt der Euterhälfte gelegen. Der Hauptteil der Milch wird in der Euterzisterne gespeichert. Dies macht das manuelle und maschinelle Melken relativ einfach (Abb. 1.22). Der Milchfluss dauert bei der Ziege ca. 1 bis 4 Minuten, abhängig von Laktationsstadium und Rasse.
Das Handmelken ist immer noch in vielen Teilen der Welt gängige Praxis, doch das Maschinenmelken hält mehr und mehr Einzug. Maschinelles Melken erleichtert die Arbeit auf großen Ziegenfarmen in hohem Maße. Die obigen Ausführungen über das Schafmelken und die geeigneten Melkanlagen, über Kühlen, Reinigung und Lagerung gelten in den meisten Teilen der Welt auch für Ziegen.
EINE WACHSENDE WELTBEVÖLKERUNG BENÖTIGT EINE STABILE LEBENSMITTELVERSORGUNG
Weltweit ist mit einer Zunahme der Bevölkerung auf 9,1 Mrd. Menschen bis 2050 zu rechnen, also einem Anstieg von 34 %. Der Großteil dieses Bevölkerungswachstums wird voraussichtlich in den Entwicklungsländern wie Brasilien, China und Indien stattfinden, wo immer mehr Menschen beschließen, in städtischen Gebieten mit höheren Einkommen zu leben. Die gesamte Lebensmittelproduktion muss folglich steigen, um den prognostizierten Bedarf einer wachsenden Bevölkerung decken zu können.
Milch zählt für den menschlichen Körper zu den nährstoffreichsten Lebensmitteln und leistet einen erheblichen Beitrag zur Deckung des Bedarfs an Calcium, Vitamin B2 und B12, Jod, Kalium und Phosphor. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) spricht Milch eine derart hohe Bedeutung für die menschliche Ernährung zu, dass sie den Verzehr von 2 bis 3 Portionen Milch oder anderen Milchprodukten pro Tag empfiehlt.
Eine langfristige Produktion größerer Mengen Milch bedeutet, dass alle an der Milchwirtschaft Beteiligten lernen müssen, produktiver zu werden, also mit weniger natürlichen Quellen auszukommen, das Wohlergehen von Tieren sicherzustellen und dabei gleichzeitig die notwendigen finanziellen Erträge zu erwirtschaften. Anders ausgedrückt: der Aufbau einer stabilen Lebensmittelversorgung erfordert nachhaltige Landwirtschaftstechniken. Ziel ist es, die Umweltbelastung von Betrieben zu senken und dabei gleichzeitig die Milchproduktion, Rentabilität der Betriebe sowie das Wohlergehen der beteiligten Menschen und Tiere zu verbessern. Um die Milchwirtschaft nachhaltiger zu gestalten, müssen sämtliche Aspekte der Nachhaltigkeit berücksichtigt und verbessert werden.
DAS ÖKOSYSTEM DER MILCHWIRTSCHAFT
Während Milcherzeuger beim Melken von Säugetieren wie Kühen, Büffeln, Schafen und Ziegen die Hauptakteure darstellen, sind sie auch Bestandteil eines komplexen Ökosystems. Kleinbetriebe und Betriebe, die Milchwirtschaft zur Deckung des eigenen Bedarfs betreiben (sog. Subsistenzlandwirte), sind auf die Unterstützung von lokalen Veterinären und anderen Erzeugern angewiesen. Milchgroßerzeuger mit Herdengrößen von hunderten und tausenden Tieren haben eine komplexere Aufgabe zu meistern, denn sie müssen die Nachfrage des Marktes decken, während sie gleichzeitig die Gesundheit und das Wohlergehen der Tiere, Umweltbelange, Vorschriften, Ausrüstungslieferanten, Arbeitsfragen und auch den Preis für Futtermittel abwägen müssen.