MIKROBIOLOGIE
Unter Mikrobiologie versteht man die Lehre lebender Organismen mikroskopischer Größe. Dazu zählen Bakterien, Pilze (Hefen und Schimmel), Algen, Einzeller und Viren.
MEILENSTEINE DER MIKROBIOLOGISCHEN GESCHICHTE
- Antonie van Leeuwenhoek, 1632 – 1723, ein Autodidakt aus den Niederlanden, konstruierte ein Mikroskop, mit dem er Bakterien beobachten konnte. Van Leeuwenhoek wird auch als „Vater des Mikroskops" bezeichnet.
- Louis Pasteur, 1822 – 1895, ein französischer Chemiker, führte eine Hitzebehandlungsmethode ein, die wir heute als Pasteurisation bezeichnen.
- Robert Koch, 1843 – 1910, ein deutscher Physiker und 1905 Nobelpreisträger für Medizin, entdeckte pathogene Keime (Krankheitserreger) wie den Tuberkuloseerreger und das Cholerabakterium. Weiter hat er Studien zur sicheren Analyse von pathogenen Keimen durchgeführt und einfache Untersuchungsmethoden für die Praxis festgelegt.
- Alexander Fleming, 1881 – 1955, ein britischer Mikrobiologe, Professor und 1945 Gewinner des Nobelpreises für Medizin, entdeckte das Penicillin (1929), das effektiv gegen viele Bakterien, nicht aber gegen Tuberkulose, wirkt.
- Selman A. Waksman, 1888 – 1973, ein amerikanischer Mykologe, Mikrobiologe und 1952 Nobelpreisträger für Medizin entdeckte das Streptomycin, das effektiv gegen viele Bakterien – einschließlich Tuberkulose – wirkt.
Mikrobiologie ist die Lehre der Mikroorganismen, die so klein sind, dass man sie nur mit Hilfe eines Mikroskops sehen kann. Die Größe wird in Mikrometer (μm) gemessen. 1 μm = 0,001 mm
Mikroorganismen in der natur
Mikroorganismen findet man überall – in der Atmosphäre, im Wasser, auf Pflanzen und Tieren sowie in Schmutz. Da sie organisches Material abbauen, spielen sie im Kreislauf der Natur eine wichtige Rolle.
Mikroorganismen kommen am häufigsten dort vor, wo sie Nahrung, Feuchtigkeit und die richtige Temperatur für ihr Wachstum finden. Da die Konditionen, die das Überleben und Wachstum vieler Mikroorganismen ermöglichen, die gleichen sind, unter denen auch Menschen leben, ist es unvermeidlich, dass wir inmitten einer Vielzahl von Mikroben leben.
Im Folgenden sind die wesentlichen Merkmale der verschiedenen Gruppen von Mikroorganismen aufgeführt (vgl. Tabelle 4.1).
Mikroorganismen
Gruppen | Größenbereich |
---|---|
Einzeller (Protozoen) | 5 – 200 µm |
Algen | 5 µm – einige Meter |
Pilze | |
Hefen | 5 – 10 µm |
Schimmel | 5–10 µm meterweise |
Bakterien | 0,5 – 5 µm |
Viren | 0,015 – 0,2 µm |
Einzeller (Protozoen)
- Einzellige, kleine im Wasser lebende Tierchen
- Können feste Lebensmittelpartikel aufnehmen Bilden letztlich Nahrung für Fische und größere Tiere
- Generell keine lebensmittelverderbenden Organismen
- Einige wenige Einzeller sind pathogene Keime, die über Wasser auch auf Lebensmittel übertragen werden
- Andere pathogene Einzeller werden durch Insekten übertragen
Algen
- Ein- oder mehrzellige Organismen, Vorkommen hauptsächlich im Wasser
- Beinhalten Chlorophyll und leisten Photosynthese
- Verwendung als Lebensmittelzusätze und in Pharmazeutika
- Basis für Agar für mikrobiologische Medien
- Einige produzieren toxische Substanzen
- Generell keine lebensmittelverderbenden Organismen
Hefen
- Einzellig, ovale oder runde Form
- Kommen in vielen Umgebungen vor: Erde, Pflanzen und Früchte
- Verwendung als Lebensmittelzusatz und für die Herstellung alkoholischer Getränke
- Lebensmittelverderbende Organismen, speziell in sehr sauren Produkten
Schimmel
- Mehrzeller mit vielen unterschiedlichen Merkmalen
- Immer im Erdboden vorhanden, aber auch in Luft und Wasser zu finden
- Verantwortlich für die Zersetzung vieler Materialien
- Nützlich für die industrielle Produktion verschiedener Chemikalien einschließlich Penicillin
- Kann Krankheiten bei Menschen, Tieren und Pflanzen verursachen
- Lebensmittelverderbende Organismen, speziell in sehr sauren Produkten
Bakterien
- Eine sehr unterschiedliche Gruppe von Mikroorganismen
- Vorkommen in fast allen Umgebungen
- Manche lösen Krankheiten aus, andere spielen eine wichtige Rolle im Naturkreislauf und tragen zur Fruchtbarkeit von Böden bei
- Einsetzbar in Industrien für die Herstellung von wertvollen Präparaten
- Manche verderben Lebensmittel und andere werden in der Lebensmittelherstellung eingesetzt
Viren
- Benötigen lebende Zellen, um sich zu reproduzieren d. h. sie sind Parasiten
Parasiten = Mikroorganismen, die von lebendigen Pflanzen oder Tieren leben
Biotechnologie
Der Begriff „Biotechnologie" ist ein relativ neues Wort für Verfahren, die biologische Prozesse nutzen. Biotechnologie hat eine Geschichte, welche die modernen wissenschaftlichen Disziplinen der Mikrobiologie, Biochemie und Prozesstechnologie Tausende von Jahren fortsetzt.
Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts wurden diese Prozesse mit Lebensmitteln und insbesondere mit der Haltbarmachung von Lebensmitteln in Verbindung gebracht.
Mikrobielle Prozesse spielen noch immer eine wichtige Rolle in der Lebensmittelindustrie. Mit der Biotechnologie im modernen Sinne wird insbesondere die industrielle Nutzung der Eigenschaften lebender Zellen oder Zellkomponenten zur Herstellung verschiedener Produkte, speziell effektive Medikamente wie Hormone und bestimmte Impfstoffe, in Verbindung gebracht. Um dies erreichen zu können, ist es nötig, das Wissen der Biowissenschaften – aus Biochemie, Mikrobiologie, Zellbiologie, Molekularbiologie und Immunologie – ebenso wie aus Anlagenbau, Prozessengineering, Separationstechniken, analytischen Methoden etc. zu nutzen.
Dieses Kapitel beschäftigt sich hauptsächlich mit für Milch und für die Milchverarbeitung relevanten Mikroorganismen, wobei auch die spezifischen Viren (Bakteriophagen) erläutert werden. Diese Organismen führen zu ernsthaften Problemen bei der Herstellung von Produkten, bei denen Mikroorganismen für die Entwicklung des Geschmacks, der Textur und anderer Charakteristika benötigt werden.
Bakterien
Bakterien sind einzellige Organismen, die sich durch Zellteilung, z. B. Zweiteilung, vermehren. Zum Teil können Bakterien nach ihrem Vorkommen klassifiziert werden. Um Bakterien sehen zu können, müssen sie jedoch erst einmal gefärbt und dann unter einem Mikroskop mit einer etwa 1.000-fachen Vergrößerung untersucht werden.
Die gebräuchlichste Methode, Bakterien zu färben, wurde von dem dänischen Bakteriologen Gram eingeführt und heißt Gramfärbung. Bakterien werden nach ihren Gramfärbe-Eigenschaften in zwei Hauptgruppen eingeteilt: Gram-negativ (rot) und Gram-positiv (blau). Dies geschieht aufgrund der unterschiedlichen bakteriellen Zellhüllen und verleiht den beiden Gruppen von Bakterien unterschiedliche Eigenschaften.
MORPHOLOGIE VON BAKTERIEN
Unter Morphologie versteht man die Lehre der Bakterienformen. Dies beinhaltet morphologische Merkmale wie Form, Größe, Zellstruktur, Mobilität (Fähigkeit, sich in einer Flüssigkeit zu bewegen) sowie Sporen- und Kapselbildung.
FORM VON BAKTERIEN
Bakterien gibt es in den verschiedensten Formen. Dabei können drei hauptcharakteristische Formen unterschieden werden: kugel-, stäbchen-, oder spiralförmig.
Die kugelförmigen Bakterien oder Kokken werden Diplokokken (Abb. 4.2 a) genannt, wenn sie als Paare angeordnet sind. Wenn sie als Ketten angeordnet sind, werden sie Streptokokken (b) genannt. Kokken kommen auch in unregelmäßigen traubenartigen Gruppen vor (c). Sind sie in Gruppen von vier oder acht angeordnet, haben sie eine Tetraeder- oder kubische Konfiguration (d).
Stäbchenförmige Bakterien variieren in ihrer Länge und Dicke. Einige von ihnen bilden auf die gleiche Art Ketten wie viele Bazillus-Typen (vgl. Abb. 4.3). Das Wort Bacilli bedeutet „kleine Stäbchen".
Spiralbakterien können in ihrer Länge und Dicke unterschiedlich sein. Auch die Anzahl von Windungen ist unterschiedlich. Spiralbakterien mit vielen Windungen gehören zu den größten Bakterien, wobei hier Größen von bis zu 20 μm häufig vorkommen.
ZELLSTRUKTUR UND FUNKTION VON BAKTERIEN
Die kleinste Lebenseinheit, funktionell und strukturell, ist eine Zelle, Bakterien haben mit den einfachsten Zellaufbau. Die Bakterienzelle ist prokaryotisch. Alle anderen Zellen, inkl. Pilze, Algen, Protozoen, Pflanzen und Tiere, sind eukaryotisch.
Die minimale Anzahl struktureller Komponenten in einer Bakterienzelle ist relativ klein. Die Zellwand ist die einzige starre strukturelle Komponente. Sie gibt der Zelle ihre Form. Bakterien mit einer dicken Zellwand sind Gram-positiv und Bakterien mit einer dünnen Zellwand Gram-negativ. Die Zellmembran entscheidet, was innerhalb und außerhalb der Zelle ist. Nur wasserlösliche Substanzen gehen durch die Zellmembran. Daher kann ohne Wasser weder ein Austausch zwischen der Zelle und ihrer Umgebung noch Wachstum stattfinden.
Der Inhalt des Inneren der Bakterienzelle liegt in zwei Teilen vor: dem Zytoplasma und den Chromosomen. Die Chromosomen beinhalten die genetischen Information in der DNS (Desoxyribonukleinsäure). Im Prinzip enthält ein Bakterium nur ein Chromosom, z. B. ein Molekül an DNS. Seine Information wird im Zytoplasma in Enzyme umgewandelt. Im Elektronenmikroskop erscheint das Zytoplasma meistens körnig. Die tatsächlichen Produktionsquellen für Zellbestandteile sind die Ribosomen, die aus Proteinen und RNS, Ribonukleinsäure, bestehen. In Ergänzung zu den wiedererkennbaren strukturellen Komponenten (Abb. 4.4) gibt es viele gelöste Stoffe im Zytoplasma: Abbauprodukte, Vitamine, Co-Faktoren und Bausteine für die Synthese der Zellkomponenten.
Zellwand Gibt der Zelle ihre spezielle Form
Zellmembran Aktiver Transport von Nährstoffen und Metaboliten
Zytoplasma Ort der Produktion von Zellbestandteilen
Chromosom Träger der Erbinformationen
BEWEGLICHKEIT VON BAKTERIEN
Manche Kokken und Bazillen können sich in einem flüssigen Nährmedium bewegen. Sie treiben sich selbst mit Hilfe von Geißeln an, die wie lange Anhängsel aus der Zytoplasmamembran (Abb. 4.5) wachsen. Die Länge und Anzahl der Geißeln variiert je nach Bakterientyp. Die Bakterien bewegen sich generell bei Geschwindigkeiten zwischen dem Ein- und Zehnfachen ihrer eigenen Länge je Sekunde. Eines der schnellsten ist das Cholerabakterium: es kann in einer Sekunde das 30-fache seiner eigenen Länge zurücklegen.
- Einfacher Zellaufbau
- Keine Membran um das aus nur einem DNS-Molekül bestehende Erbmaterial
- Komplexer Zellaufbau
- Membran umgibt das Erbmaterial (mehrere DNS-Moleküle), d. h. es besteht ein echter Zellkern
SPORENBILDUNG
Nur wenige Typen oder Gattungen von Bakterien bilden Sporen: Bazillus und Clostridium sind die bekanntesten. Die Spore ist eine Form von Schutz gegen widrige Konditionen wie Hitze, Desinfektionsmittel, Mangel an Feuchtigkeit oder Mangel an Nährstoffen. Abbildung 4.6 zeigt einige der verschiedenen Arten von Sporenformationen.
Bildet die Ausgangszelle eine Spore, kann diese ihre originäre Form behalten oder sie kann in der Mitte oder an einem Ende anschwellen; dies ist abhängig davon, wo sich die Endospore befindet. Während der Sporenbildung stirbt der vegetative Teil der Bakterienzelle. Schließlich löst sich die Zelle auf und die Spore wird freigesetzt.
Die Spore keimt wieder zu einer vegetativen Zelle aus und beginnt mit der Reproduktion, sobald die Umweltbedingungen wieder günstig sind.
Sporen sind ruhende Zellen ohne Stoffwechsel, wodurch sie sich auch nicht vermehren können. Sie können in trockener Luft über Jahre hinweg überleben und sie sind gegenüber chemischen Sterilisationsmitteln, Antibiotika, Trocknung und ultraviolettem Licht resistenter als Bakterien. Sie sind selbst gegen Hitze resistent: eine Erhitzung auf 120 °C für 20 bis 30 Minuten wird Sporen aber normalerweise abtöten. Sporenbildende Bakterien im vegetativen Stadium können durch Kochen bei 100 °C ebenso abgetötet werden wie andere Bakterien.
KAPSELBILDUNG
Manche Bazillen und Kokken werden von einer Kapsel aus stark entwickeltem Schleim umgeben. Dies macht sie resistenter gegenüber Trockenheit. Ein Wachstum von solchen Bakterien in Milch macht diese viskos und schleimig. In beiden Fällen führt dieses Phänomen dazu, dass die Milch Fäden zieht.
WACHSTUMSFAKTOREN FÜR BAKTERIEN
NÄHRSTOFFE
Bakterien benötigen verschiedene Nährstoffe für ihr Wachstum. Der Bedarf an Nährstoffen variiert stark zwischen den verschiedenen Bakterien. Die Hauptquelle sind organische Komponenten, z. B. Proteine, Fett und Kohlenhydrate. Zudem sind geringe Mengen von Spurenelementen und Vitaminen für das Wachstum notwendig.
Neben dem Material für die Zellbildung enthält organische Substanz auch die nötige Energie für den Stoffwechsel. Solche Substanzen müssen in Wasser löslich sein und ein geringes Molekulargewicht haben. Sie müssen in sehr kleine Moleküle abgebaut werden, damit sie durch die Zytoplasmamembran gelangen und vom Bakterium verstoffwechselt werden können. Daraus folgt, dass Bakterien Wasser benötigen.
Manche Mikroorganismen können keine Enzyme für den Abbau von Substanzen außerhalb der Zelle freisetzen. Sie müssen sich Abbauprodukte anderer Mikroorganismen zu Nutze machen. Profitieren beide Parteien von solch einer Beziehung, nennt man dies Symbiose. Produziert ein Organismus Substanzen, die einen hemmenden Effekt auf andere Organismen ausüben, nennt man dies Antibiose.
Permanentes Zusammenleben von Organismen, wobei ein Organismus für den anderen zum Überleben nötig ist.
Eine antagonistische Beziehung, in der ein Organismus Substanzen produziert, die das Wachstum eines anderen Organismus hemmt.
WASSERAKTIVITÄT
Mikroorganismen benötigen Wasser in einer verfügbaren Form. Die brauchbarste Methode zur Messung der Verfügbarkeit von Wasser liegt in der Messung der Wasseraktivität bzw. des aw-Werts. Der in einem Lebensmittel vorhandene aw-Wert kann durch die Erhöhung der Konzentration in der wässrigen Phase, sei es durch Entzug von Wasser oder Zugabe von gelösten Stoffen, reduziert werden. Manche Wassermoleküle sind um die gelösten Moleküle ausgerichtet, andere werden von unlöslichen Lebensmittelbestandteilen absorbiert. In beiden Fällen verringert sich die Verfügbarkeit des Wassers für chemische Reaktionen.
Dehydratation ist eine Methode der Haltbarmachung von Lebensmitteln, die auf der Reduktion des aw-Wertes durch Wasserentzug basiert. Beim Salzen und Zuckern verringert die Zugabe eines löslichen Stoffes den aw-Wert und macht das Lebensmittel haltbar. Eine geringe Reduktion des aw-Wertes hat in Kombination mit anderen Faktoren bereits einen hinreichenden Effekt auf die Haltbarkeitsverlängerung eines Lebensmittels.
DEFINITIONEN DER WASSERAKTIVITÄT
Der aw-Wert eines Lebensmittels oder einer Lösung zeigt das Verhältnis des Wasserdampfdrucks des Lebensmittels (p) zu reinem Wasser (p0) bei der gleichen Temperatur an: Wird eine Lösung höher konzentriert, geht der Dampfdruck zurück und der aw-Wert fällt vom Maximumgehalt auf 1 für reines Wasser.
WASSERAKTIVITÄT UND WACHSTUM
Viele Mikroorganismen, einschließlich pathogener Bakterien, wachsen am schnellsten bei einem aw-Wert von 0,99 bis 0,98. Unterhalb dieses aw-Wertes nimmt die Wachstumsgeschwindigkeit ab und die Anlaufphase (Latenzphase oder englisch „lag phase") verlängert sich (Abb. 4.7).
Die meisten der für Lebensmittel relevanten Mikroorganismen haben ihre optimale Wachstumsgeschwindigkeit bei einem aw-Wert von 0,98 oder darüber. Dies ist normalerweise auch die Spanne für den aw-Wert von Milch und Getränken. Verschiedene Gram-negative Bakterien setzen sich aufgrund ihrer Wachstumsgeschwindigkeit durch und dominieren gegebenenfalls die mikrobielle Flora. In Milch beispielsweise verbirgt eine Gram-negative Infektion oft eine Kontamination mit Gram-positiven Bakterien.
Bei einem aw-Wert zwischen 0,98 und 0,93 dominieren die Gram-positiven Bakterien, z. B. Laktobazillus, Bazillus und Mikrokokkus, aber es können auch einige tolerante Coliforme vorhanden sein. Lebensmittelbedingte pathogene Bakterien (Salmonella, C. botulinum und C. perfringens) werden am Wachsen gehindert. Im Vergleich dazu wachsen Staphylokokken bei einem aw-Wert von 0,94 mit einer Geschwindigkeit, die der Hälfte ihrer maximalen Wachstumsgeschwindigkeit entspricht. Innerhalb dieser Spanne kann der Verderb von säurearmen Lebensmitteln durch Pilze mit dem bakteriologischen Verderb konkurrieren.
Bei einem aw-Wert zwischen 0,93 und 0,85 stellen Kokken, Schimmel und Hefen mögliche Verderbniskeime dar. Das einzige pathogene Bakterium, das hier wächst, ist S. aureus. Mittelfeuchte Lebensmittel sind so ausgelegt, dass sie auf einen aw-Wert von <0,85 kommen, um das Wachstum von S. aureus zu hemmen.
Bei einem aw-Wert zwischen 0,85 und 0,60 können bestimmte Schimmel und Hefen zu Verderbnis führen. Bekannte Lebensmittel sind beispielweise Marmelade und Gelees, die mit einer hohen Zuckerkonzentration haltbar gemacht werden. In diesem aw-Bereich kommt es zu keiner Produktion von Mykotoxinen.
Ab einem aw-Wert < 0,60 können keine Mikroorganismen wachsen. Derartige Lebensmittel sind sicher vor weiterem mikrobiellen Verderb. Es soll jedoch betont werden, dass solche Lebensmittel lebensfähige Mikroorganismen einschließlich der Pathogenen und/oder Toxinbildner enthalten können.
TEMPERATUR
Temperatur ist der größte Einzelfaktor, der das Wachstum, die Reproduktion und den Lebensmittelverderb beeinflussen kann (Abb. 4.8). Bakterien können nur in bestimmten Temperaturbereichen wachsen. Diese schwanken je nach Spezies. Im Prinzip könnten Bakterien bei Temperaturen zwischen dem Gefrierpunkt von Wasser und der Temperatur, bei der das Protein im Zytoplasma gerinnt, wachsen. Irgendwo zwischen den maximalen und minimalen Temperaturen, z. B. der oberen und unteren Grenze der bakteriellen Lebensfähigkeit, liegt das Temperaturoptimum. Dies ist die Temperatur, bei der sich die Bakterienart am stärksten fortpflanzt.
Temperaturen unter diesem Minimum schränken bakterielles Wachstum ein, töten aber keine Bakterien ab. Die Lebensfunktionen werden nahe dem Gefrierpunkt von Wasser fast völlig eingestellt. Da die Zellen einen hohen Wassergehalt haben, frieren sie bei dieser Temperatur ein. Dann können die Bakterien keine Nährstoffe mehr durch die Zellmembran aufnehmen.
Wird die Temperatur über das Maximum erhöht, werden die Bakterien schnell durch die Hitze abgetötet. Die meisten Zellen sterben, wenn sie für ein paar Sekunden einer Temperatur von 70 °C ausgesetzt werden, aber manche Bakterien überleben auch die Erhitzung auf 80 °C für fünf Minuten, selbst wenn sie keine Sporen bilden
Man benötigt viel höhere Temperaturen, um Bakteriensporen zu töten, trockene Hitze ist dabei weniger effektiv als feuchte. Eine Behandlung mit Dampf bei 120 °C für 30 Minuten stellt die Zerstörung aller Sporen sicher, aber in trockener Hitze müssen die Bakterien für zwei Stunden auf 160 °C gehalten werden, um die Zerstörung der Sporen zu garantieren.
EINTEILUNG NACH DEM TEMPERATUROPTIMUM
Bakterien können nach ihrer bevorzugten Temperaturspanne in die folgenden Kategorien (Abb. 4.9) unterteilt werden:
Psychrophile (kälteliebende) Bakterien wachsen gut bei 0 °C. Die optimale Temperatur liegt bei 12 bis 15 °C und das Maximum unter 20 °C. Psychrotrophe (kältetolerante) Bakterien sind mesophile Arten, die sich bei normalen Kühltemperaturen vermehren können, wobei das Optimum bei 20 bis 30 °C liegt.
Mesophile Bakterien haben eine minimale Temperatur von 10 °C, generell ein Optimum von 30 bis 35 °C und ein Maximum von ca. 50 °C. Dies stellt zweifellos die üblichste Temperaturspanne für Bakterienwachstum dar. Ca. 90 % aller Bakterien können in diesem Temperaturbereich wachsen.
Thermophile (wärmeliebende) Bakterien haben eine optimale Wachstumstemperatur bei 55 bis 65 °C. Die minimale Temperatur liegt bei 37 °C und das Maximum bei ca. 70 °C.
Die psychrotrophen Bakterien sind auch für die Milchwirtschaft von Interesse, da die mikrobielle Aktivität in der Milch auf dem Hof und in Trinkmilch normalerweise bei einer Temperatur von 7 °C oder darunter stattfindet.
SAUERSTOFF
Viele Mikroorganismen brauchen freien Sauerstoff für ihren Stoffwechsel. Aus der vollständigen Oxidation organischer Masse entstehen CO2 und Wasser. Viele Mikroorganismen benötigen Luft unter atmosphärischem Druck; sie werden als aerobe Mikroorganismen bezeichnet. Andere Typen können ohne Sauerstoff Energie aus ihrer Nahrung gewinnen; sie bezeichnet man als anaerobe Mikroorganismen.
Manche Bakterien konsumieren freien Sauerstoff, wenn er vorhanden ist, können aber auch ohne ihn wachsen. Solche Bakterien werden fakultativ anaerob genannt. Anaerobe und fakultativ anaerobe Bakterien gewinnen ihre Energie generell über die Vergärung organischer Masse. Chemisch ist dies eine unvollständige Oxidation, wobei organische Abfallprodukte entstehen, z. B. Milchsäure aus Laktose (vgl. Tabelle 4.2).
Da die meisten Organismen ihren Sauerstoff aus der Luft ziehen, also wenn sie aerob sind, ist der Entzug von Sauerstoff/Luft ein Mittel, um ihr Wachstum zu kontrollieren oder zu verhindern. Beispiele hierfür sind Vakuumverpackung, Schutzgasverpackung und als Luftbarriere wirkendes Verpackungsmaterial.
Werden anaerobe Bakterien Luftsauerstoff ausgesetzt, sterben sie ab.
Bakterien und ihre Beziehung zu Sauerstoff
Bakteriengruppe | Beziehung zu Sauerstoff |
---|---|
Aerob | Mikroorganismen, die O2 für das Wachstum nutzen und O2 auf einem atmosphärischen Niveau oder darüber, d. h. 21 % tolerieren können. |
Mikroaerophil | Mikroorganismen, die O2 zwar nutzen können, um zu wachsen, jedoch nur bei einem geringeren O2-Gehalt als in der Atmosphäre. |
Anaerob | Mikroorganismen, die nicht zu O2-abhängigem Wachstum in der Lage sind und nicht in Sauerstoff auf atmosphärischem Niveau wachsen können. Sie gewinnen ihre Energie über die Vergärung. |
Fakultativ anaerob | Mikroorganismen, die in der Lage sind, sowohl ohne als auch mit Sauerstoff auf atmosphärischem Niveau zu wachsen. Einige können aerob mit Sauerstoff und anaerob über die Vergärung wachsen. |
LICHT
Licht ist nur nötig für photosynthetische Zellen, die Energie aus dem Licht gewinnen. Mikroroganismen, einschließlich der meisten Bakterien, sterben ab, wenn sie direktem Sonnenlicht ausgesetzt werden. Der ultraviolette Teil des Sonnenlichts führt zu chemischen Veränderungen in der DNS und im Zellprotein.
Ultraviolettes Licht wird oft zur Desinfektion der Atmosphäre in Kulturenräumen und von Packstoffen eingesetzt. Da chemische Veränderungen auch in Lebensmitteln ausgelöst werden können, wird es zur Desinfektion von Trinkwasser aber nicht von Lebensmitteln eingesetzt.
AUSWIRKUNG DES pH-WERTS AUF DAS WACHSTUM
Natürliche Umgebungen haben oft pH-Werte zwischen 5 und 9. Die am häufigsten vorkommenden Mikroorganismen wachsen am besten bei diesen Bedingungen. Die meisten Schimmel und Hefen wachsen am besten in leicht saurem Medium, um pH 5 bis 6, während die optimalen Konditionen für Bakterien neutrale oder leicht alkalische Umgebungen sind.
Frischmilch hat einen pH-Wert zwischen 6,6 und 6,8. Schimmel und Hefen wachsen gut bei einem pH-Wert unter 3 oder sogar bei pH 2. Die meisten nichtverarbeiteten Lebensmittel haben einen pH-Wert leicht unter neutral, z. B. schwach saure Lebensmittel. Fruchtsäfte sind generell saure Lebensmittel (Abb. 4.10).
VERMEHRUNG VON BAKTERIEN
Bakterien vermehren sich normalerweise durch Zellteilung. In Abbildung 4.11 wird die Vermehrung grafisch dargestellt. Zuerst wachsen die Zellen in der Größe. Dann sammelt sich das Erbmaterial in einem Teil der Zelle und es folgt die Teilung in zwei identische Zellen. Der Typ der Zellanordnung, der in einer charakteristischen Zellgruppierung resultiert, ist normalerweise für eine bestimmte Bakterienspezies konstant. Zellgruppierungen können die Form von Ketten, Paaren und Klumpen haben. Diese Charakteristik wird für die Beschreibung der verschiedenen Arten genutzt.
VERMEHRUNGSRATE
Unter optimalen Bedingungen kann die Vermehrung von Bakterien in Intervallen von 20 bis 30 Minuten stattfinden. Diese Reproduktionsrate kann anhand der rechts aufgeführten Formel kalkuliert werden. Bei einer Generationszeit von 0,5 Stunden bei Optimaltemperatur, entstehen aus einem einzigen Bakterium in 1 Liter Milch innerhalb von 10 Stunden etwa 1 Million Bakterien je ml.
Bei optimalen Bedingungen im Lebensmittel können 100 Millionen bis 1.000 Millionen Bakterien pro ml entstehen. In diesem Stadium wird die Wachstumsrate durch Nährstoffmangel oder die Ansammlung von giftigen metabolischen Abfallprodukten gehemmt werden. Die Reproduktion stoppt und eine große Anzahl an Bakterien stirbt. In der Realität sind es nicht optimale Konditionen wie eine niedrige Lagertemperatur oder ein niedriger pH-Wert, die das Wachstum von Bakterien in Lebensmitteln einschränken oder verzögern.
WACHSTUMSKURVE VON BAKTERIEN
Abb. 4.12 zeigt eine Wachstumskurve von Bakterien, die einem Substrat mittels Beimpfung zugegeben wurden. Normalerweise gibt es, bevor die Bakterien anfangen sich zu reproduzieren, eine Verzögerung, da sie sich zuerst an ihre neue Umgebung gewöhnen müssen. Diese Phase der Entwicklung (a) wird Anlaufphase (auch Latenzphase oder englisch „lag phase") genannt. Der Grund für die Anlaufphase kann auch in einer latenten Kultur liegen. Es ist möglich, dass sie vor der Beimpfung bei einer niedrigen Temperatur gelagert wurde.
Die Länge der Anlaufphase variiert je nachdem, wie viele Bakterien im Moment der Beimpfung gehemmt werden.
Nach der Anlaufphase beginnen die Bakterien, sich logarithmisch zu vermehren. Diese Phase (b) wird Exponenzielle Phase (oder englisch auch „log phase") genannt.
Nach einiger Zeit sammeln sich toxische Stoffwechselabfallprodukte in der Kultur. Die Reproduktionsrate nimmt daher im weiteren Verlauf ab, da zur gleichen Zeit Bakterien sterben, sodass ein Gleichgewicht zwischen dem Tod von alten Zellen und der Bildung neuer entsteht. Diese Phase (c) wird Stationäre Phase genannt.
In der nächsten Phase (d) endet die Bildung neuer Zellen vollständig und die Zellen sterben schrittweise ab. Zum Schluss ist die ganze Kultur abgestorben. Diese Phase wird als Absterbephase bezeichnet.
Die Form der Kurve, z. B. die Länge der verschiedenen Phasen und der Gradient der Kurve in jeder Phase, variiert mit der Temperatur, Lebensmittelbeschaffenheit und anderen Wachstumsparametern.
BIOCHEMISCHE AKTIVITÄT
Aufgrund ihrer biochemischen Aktivität können Mikroorganismen Lebensmittel verderben und Krankheiten bei Tieren und Pflanzen verursachen. Manche Mikroorganismen haben biochemische Aktivitäten, die für die Lebensmittelprozesse, z. B. die Herstellung von Käse, Joghurt, Butter usw. genutzt werden.
Die Aktivität eines spezifischen Mikroorganismus wird bestimmt durch die Enzyme, die er besitzt, da diese bestimmen, was aufgenommen oder abgebaut wird, und damit natürlich auch, welches Endprodukt hergestellt wird.
Mikroorganismen beinhalten viele biochemische und enzymatische Systeme. Die Folgenden sind die in Bezug auf Milch und Milchprodukte wichtigsten. Sie können nach ihrem Abbau der Bestandteile und nach ihrem Effekt unterteilt werden.
Die wichtigsten biochemischen und enzymatischen Systeme der Bakterien in Milchprodukten verursachen folgende Wirkungen:
- Abbau von Kohlenhydraten
- Abbau von Protein
- Abbau von Fett
- Abbau von Lezithin
- Farbstoffbildung
- Schleimbildung
- Geruchsbildung
- Reduzierung des Sauerstoffgehaltes
- Krankheiten
ABBAU VON KOHLENHYDRATEN
Kohlenhydrate oder Zucker haben die Formel (CH2O)n und werden ursprünglich als Hydrate des Kohlenstoffs bezeichnet. Es gibt Mono-, Di- und Polysaccharide. Polysaccharide bestehen aus langen Ketten eines oder verschiedener Zucker, z. B. Zellulose, Stärke oder Chitin. Die Enzyme der Mikroorganismen entscheiden, welche Kohlenhydrate sie abbauen können und wie weit. In Milch folgt der Hydrolyse der Laktose-Disaccharide der Abbau der Monosaccharide Glukose und Galaktose. Sie können komplett zu Kohlendioxid und Wasser (oxidative Umwandlung) abgebaut werden, aber in den meisten Fällen erfolgt eine Fermentation/Gärung.
Fermentation resultiert in verschiedenen Produkten wie organischen Säuren (Milchsäure, Buttersäure usw.), Alkohol (Ethylalkohol, Butylalkohol usw.) und Gasen (Kohlendioxyd, Wasserstoff etc., vgl. Tabelle 4.3).
Mikrobieller Abbau von Kohlenhydraten
Anwesenheit von Sauerstoff | CO2 + Wasser + Energie |
Abwesenheit von Sauerstoff | |
- Alkoholische Gärung | Ethanol + CO2 |
- Buttersäuregärung | Buttersäure + CO2 + H2 |
- Milchsäuregärung | |
-- Homofermentativ | Milchsäure |
-- Homofermentativ | Milchsäure + Ethanol + Essigsäure + CO2 |
Die wichtigsten Arten der bakteriellen Fermentation in Milch sind:
- Alkoholische Gärung von Laktose zu Alkohol und Gas. Ein Beispiel ist der Abbau von Laktose zu Ethylalkohol und Kohlendioxyd. Die Bildung von Alkohol findet unter anaeroben Bedingungen statt und wird hauptsächlich durch Hefen ausgelöst.
- Homofermentative Milchsäuregärung von Laktose mit Milchsäure als einzigem Endprodukt. Diese Reaktion wird für die Herstellung von Käse, Joghurt und anderen gesäuerten Produkten genutzt.
- Heterofermentative Milchsäuregärung von Laktose. Sieproduziert Milchsäure, Essigsäure, Kohlendioxyd und Ethylalkohol.
- Coliforme Fermentation (Mischung von Säure und Butandiol) von Laktose, was zu verschiedenen Endprodukten wie Milchsäure, Essigsäure, Bernsteinsäure, Ameisensäure, Butandiol, Ethylalkohol, Kohlendioxid und Wasserstoff führt.
- Buttersäuregärung unter strickt anaeroben Bedingungen bei einer Clostridium-Art. Bei der Buttersäurefermentation wird Laktose zu Buttersäure, Kohlendioxid, Wasserstoff und in manchen Fällen zu Butylalkohol abgebaut. Generell gilt, dass Kohlenhydratfermentationen in Milch zur Produktion von Säure (Säuerung) und – in manchen Fällen – von Gas (abhängig vom Organismus) führen
- Hydrolyse
- Alkoholische Gärung
- Milchsäuregärung
- Coliformengärung
- Buttersäuregärung
ABBAU VON PROTEIN
Der Prozess, bei dem Protein abgebaut wird, heißt Proteolyse. Proteasen wie Hennin/Chymosin (Labenzym), Pepsin oder Trypsin sind die Hauptenzyme in einem solchen Prozess. Diese Enzyme bauen Proteine in Peptide ab, welche dann wiederum durch verschiedene Peptidasen in kleinere Peptide und freie Aminosäuren abgebaut werden. Aminosäuren können für die Proteinsynthese durch die Zelle wiederverwertet werden; sie können aber auch oxidativ oder fermentativ abgebaut werden.
Proteine und ihre Aminosäuren enthalten eine umfassende Kombination aus chemischen Elementen und beinhalten Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Schwefel, Stickstoff und Phosphor. Proteinabbau resultiert daher in einer großen Reihe von Säuren, Alkoholen, Gasen (Wasserstoff, Kohlendioxid, Wasserstoffsulfit und Ammoniak) und anderen Komponenten. Der Abbau von Protein führt fast immer zu Ammoniak, einem Alkali mit strengem Geruch (vgl. Abb. 4.13).
Drei Aminosäuren, Cystein, Cystin und Methionin, beinhalten Schwefel und bilden Wasserstoffsulfid, was ihnen einen strengen Geruch nach faulen Eiern verleiht.
Der Proteinabbau in Konsummilch erfolgt in zwei Hauptschritten, wird Peptonisierung genannt und besteht aus:
- Gerinnen durch Säuerung oder Gerinnung der Milch durch labähnliche Enzyme. Dieser Fehler in Milch wird Süßgerinnung genannt, ein Defekt der oft in pasteurisierter Milch vorkommt, die warm gelagert wird.
- Proteolyse des Proteins führt zur Produktion von Ammoniak, einem Alkali.
Der Gehalt an aminofreien Fettsäuren und Ammoniak in Käse liefert Hinweise auf sein Alter und seine Reife, da die Proteolyse fortschreitet. Blauer oder schimmelgereifter Käse weist eine rasche Proteolyse auf, die zur Produktion großer Mengen von Ammoniak führt.
ABBAU VON FETT
Der Prozess des Fettabbaus durch Enzyme wird Lipolyse genannt. Das Hauptenzym in diesem Prozess ist Lipase. Während der Lipolyse wird das Fett zu Glyzerin und einer, zwei oder drei separaten Fettsäuren hydrolysiert (Abb. 4.14). Manche Fettsäuren sind flüchtig und haben strenge Gerüche. Ein Beispiel ist Buttersäure, die einen typisch ranzigen Geschmack hat.
Reines Fett kann nicht von Mikroorganismen abgebaut werden, aber Fett in Wasseremulsionen oder Fett in Kontakt mit Wasser wird von vielen Mikroorganismen abgebaut. Für die enzymatische Spaltung muss Wasser vorhanden sein. Milchfett in Form von Butter und Sahne ist eine Emulsion. Sie beinhaltet Protein, Kohlenhydrat, Mineralien usw., wodurch sie manchmal anfälliger gegenüber einem enzymatischen Abbau wird.
Viele Bakterien und Schimmel, die Proteine abbauen, bauen auch Fett oxidativ ab.
ABBAU VON LEZITHIN
Lezithin, ein in den Fettkügelchen-Membranen enthaltenes Phospholipid, ist eine chemische Kombination von Glyzerin, zwei Fettsäuren, Phosphorsäure und Cholin, einem organischen Alkali. Bacillus cereus-Stämme produzieren Enzyme, Lezithinasen, die das Lezithin in Diglyceride und Phosphorylcholin hydrolysieren. Die Membranen der Fettkügelchen reißen, was zu einer unstabilen Fettemulsion führt. Oft sieht man dies in Form von Flocken oder Klumpen auf der Oberfläche von Milch oder Sahne. Dieser Fehler wird „flockiger Rahm" oder „Rahmpfropfenbildung" genannt.
Ein weiterer Abbau des Cholin in Trimethylamine führt zu einem fischigen Geruch und Geschmack.
PIGMENT- UND FARBSTOFFPRODUKTION
Der Prozess der Farbstoffproduktion wird Chromegenese genannt. Der Organismus, der diese Produktion bewirkt, wird als chromogen bezeichnet.
Dieser Stoffwechselvorgang ist eine Eigenschaft bestimmter Mikroorganismen. In manchen Lebensmitteln läuft der Prozess umfangreicher ab als in anderen; er findet nur bei Umgebungstemperaturen oder niedrigen Temperaturen statt. Aerobe Konditionen sind ebenfalls vorteilhaft für die Chromogenese.
Es gibt zwei Arten von Pigmenten:
- Endo-Pigment, das in der Zelle bleibt.
- Exo-Pigment, das aus der Zelle austritt und in die Lebensmittel eintritt.
Es gibt drei Basis-Farbgruppen:
- Karotinoide: (gelb, grün, cremefarben oder golden).
- Anthrocyne: (rot).
- Melanine: (braun oder schwarz).
Der Name eines Organismus bezieht sich oft auf die Farbe, die er produziert.
Beispiel: Staphylococcus aureus = der goldene Staphylococcus.
Albus = weiß
Luteus = gelb
Citreus = zitronengelb
Roseus = pink oder rot
Aureus = golden
Violaceum = violett
Nigra = schwarz oder braun
SCHLEIMBILDUNG
Eine Reihe von Bakterien produziert einen Schleim aus Polysacchariden, welche die Viskosität deutlich erhöhen, da sie hoch wasserlöslich sind und sich im Medium auflösen. Dies wird in bestimmten gesäuerten Milchprodukten, wie Joghurt oder „långfil", einer schwedischen fadenziehenden Milch, genutzt.
BILDUNG VON GERUCHSAKTIVEN STOFFEN
Manche Organismen produzieren intensive Geruchsstoffe. Hier eine kurze Liste einiger Organismen und der mit ihnen verbundenen Gerüche:
- Schimmel – muffig
- Actinomyces – erdig
- Hefen – fruchtig
- Pseudomonaden – fruchtig/fischig
- Coliforme – kohlartig, schmutzig
- Lactococcus lactis var. maltigenes – malzig
PATHOGENE BAKTERIEN IN ROHMILCH
Manche Mikroorganismen können Lebensmittelvergiftungen verursachen (pathogene Mikroorganismen). Dies geschieht entweder durch Intoxikation und/oder durch Infektion. Intoxikation bedeutet die Produktion von Giften in Lebensmitteln, bevor sie konsumiert werden. Infektion bedeutet Eindringen, aktives Wachstum und Vermehrung solcher Mikroorganismen im menschlichen Körper. Meistens braucht es eine große Anzahl, um eine Infektion auszulösen, aber manchmal – wie in dem Fall von Escherichia coli O157:H7 (EHEC) – liegt die MID (Minimale Infektionsdosis) bei nur einem einzigen Bakterium.
Pathogene Keime in Milch
Infektiös | Toxinbildner |
---|---|
Mycobacterium bovis | Bacillus cereus |
Mycobacterium tuberculosis | Clostridium perfringens |
Escherichia coli (einige Stämme) | Staphylococcus aureus (einige Stämme) |
Listeria monocytogenes | |
Salmonellen | |
Campylobacter | |
Corynebacterium diphteriae |
LEHRE VON DEN BAKTERIEN
Bakterien kommen in der Natur in extrem großen Populationen und vielen verschiedenen Arten vor. Um die Charakteristika einer bestimmten Art zu studieren, ist es nötig, sie von allen anderen Arten zu trennen. Für diesen Fall gibt es diverse Laborprozeduren.
Eine Masse von Zellen der gleichen Art in einem Laborbehälter (z. B. ein Teströhrchen) nennt man Reinkultur. Um die Reinheit dieser Kultur zu erhalten, müssen verschiedene Vorkehrungen getroffen werden, damit keine anderen Arten hinzukommen. Dies wird durch Steriltechnik ermöglicht.
Bakterien werden in einer Nährstoffbouillon oder auf Nährböden gezüchtet. Die jeweiligen Nährstoffe hängen von der Bakterienart ab. Typisch sind Nährstoff- Mischungen aus Proteinen, Peptiden, Zucker, Mineralsalzen und Co-Faktoren. Um einen Nährboden zu erhalten, wird der Bouillon eine gelierende Substanz – der sogenannte Agar – zugegeben.
Mikroorganismen, die auf oder in Agarsubstraten gezüchtet werden, wachsen als Kolonien. Unter vorteilhaften Bedingungen vermehrt sich eine Zelle zu einer Masse an Zellen, die Kolonien genannt werden, und die man mit dem bloßen Auge erkennen kann. Indem Verdünnungen von der Originalprobe angefertigt, auf Agar aufgebracht und die Kolonien gezählt werden, ist es möglich, die Bakterien und ihre Zahl zu spezifizieren. Diese gut etablierte Technik zur Spezifizierung von Bakterien, Hefen und Schimmel wird Koloniezählung genannt.
Indem ein selektives Agarmedium eingesetzt wird, das nur spezifischen Bakteriengruppen ein Wachstum ermöglicht, kann das Vorhandensein verschiedener Bakterienarten nachgewiesen werden.
- Reinkultur
- Sterile Technik
- KbE, koloniebildende Einheiten
- Koloniezählung
IDENTIFIKATION UND KLASSIFIKATION DER BAKTERIEN
In einem Versuch, die vielen verschiedenen existierenden Bakterientypen zu klassifizieren, werden sie vorerst – ebenso wie höhere Pflanzen und Tiere – in Familien, Gattungen und Arten eingeteilt.
In der Zoologie und Botanik wird dies anhand der äußerlichen Charakteristika (Erscheinungsbild) vorgenommen. Das gleiche Prinzip wurde anfangs für die Klassifikation von Bakterien angewendet, wobei sich bald herausstellte, dass es nicht ausreicht, Bakterien einfach nach Größe, Form, Aussehen und Bewegung zu gruppieren. Abgesehen von äußerlichen Charakteristika, war es zudem nötig, den Stoffwechsel des Organismus (Verwertung verschiedener Kohlenhydrate, Proteine, Fett usw.) und ihre Artcharakteristika zu berücksichtigen. Mit diesen Informationen war es möglich, Bakterien in einem Klassifikationssystem zu gruppieren.
Die lateinischen Namen der Bakterien dieses Systems werden international verwendet. Jedes Bakterium hat zwei Namen. Der erste steht für die Gattung und der zweite beschreibt die Art; dies zeigt oft eine bestimmte Eigenschaft oder Abstammung auf. Näheres dazu auch im Abschnitt über Pigment- und Farbproduktion.
Die Identifizierung von Bakterien auf Ebene ihrer Gattung wird über eine Kombination von verschiedenen biochemischen Tests und morphologischen Analysen, einschließlich Gramreaktion, vorgenommen.
Zur Identifizierung von Bakterien wurden verschiedene neue Techniken, die auf der Zusammensetzung der DNS basieren, eingeführt. Die wichtigste davon ist PCR, d. h. Polymerasekettenreaktion. Diese Methode kann direkt Bakterienarten identifizieren. Heute wird die Methode regulär zur Identifizierung von Pathogenen genutzt. Die FTIR (Infrarot) Methode vergleicht verschiedene Bakterienkomponenten auf einer molekularen Ebene mit einer Arten-Datenbank.
Die maßgeblichste Literatur über die Identifikation von Bakterien ist Bergey's Determinative Bacteriology (BOB). Die neunte Ausgabe (1994) identifiziert mehrere tausend Arten. Sie repräsentiert jedoch nur einen Bruchteil der Arten, die in der Natur vorkommen. Hier ist noch viel Arbeit zu leisten und die künftigen Ausgaben von BOB werden zweifelsfrei umfassender werden.
Anzahl von Bakterien festgestellt
- Gruppe 35
- Gattung 550
- Art 4 500
BAKTERIEN IN MILCH
KONTAMINATION DURCH DIE KUH
Wenn Milch im Euter gebildet wird, ist sie praktisch steril. Noch bevor sie das Euter verlässt, wird sie mit Bakterien infiziert, die über den Zitzenkanal eintreten. Diese Bakterien sind normalerweise harmlos und in sehr geringer Anzahl, d. h. bis zu ein paar Hundert je ml, vorhanden.
In Fällen einer bakteriellen Euterentzündung (Mastitis) wird die Milch stark mit Bakterien kontaminiert und kann sogar für den Verzehr unbrauchbar werden. Zudem leidet die Kuh unter einer Mastitis.
Es gibt immer bestimmte Konzentrationen von Bakterien im Zitzenkanal, aber ein Großteil wird zu Beginn des Melkens ausgespült. Es ist ratsam, den ersten bakterienreichen Strahl aus jeder Zitze in einem geeigneten schwarzen Gefäß zu sammeln. Flockige Milch von kranken Tieren hebt sich sofort vor dem schwarzen Hintergrund ab.
KONTAMINATION AUF DEM BAUERNHOF
Beim Umgang mit der Milch auf dem Bauernhof kann sie mit verschiedenen Mikroorganismen kontaminiert werden; dies sind in der Hauptsache Bakterien. Der Grad der Kontamination und die Zusammensetzung der Bakterienpopulation hängen mit der Reinheit der Umgebung der Kuh und der Sauberkeit der Oberflächen, mit denen die Milch in Kontakt kommt, zusammen, z. B. dem Eimer der Melkmaschine, dem Filter/Sieb, der Transportkanne oder dem Tank und Rührapparat. Solche Oberflächen bilden eine viel größere Kontaminationsquelle als das Euter.
Werden Kühe von Hand gemolken, können Bakterien über den Melker, die Kuh, das Streu und die Umgebungsluft in die Milch kommen. Das Ausmaß der Kontamination hängt stark von der Fähigkeit und der Hygienekonsequenz des Melkers sowie von der Art, wie die Kuh behandelt wird, ab. Die meisten dieser Infektionsquellen werden durch das Maschinenmelken eliminiert, aber andere dagegen, d. h. die Melkmaschine, kommen hinzu. Wurde die Melkausrüstung nicht ausreichend gereinigt, kann eine Vielzahl von Bakterien auf diesem Weg in die Milch gelangen.
Die Sauberkeit der Zitzen und des Euters der Kuh haben großen Einfluss auf den Sporengehalt in der Milch.
BAKTERIEN IN ROHMILCH
Milch ist sehr nahrhaft und anfällig für eine Kontamination mit einer Vielzahl unterschiedlicher Bakterien.
Hofmilch kann eine Keimzahl zwischen einigen Tausend pro ml, wenn sie von einer hygienisch arbeitenden Farm stammt, und mehreren Millionen aufweisen, wenn der Standard bei Reinigung, Desinfektion und Kühlung gering ist. Die tägliche Reinigung und Desinfektion aller milchberührenden Anlagenteile ist daher für die bakteriologische Milchqualität von entscheidender Bedeutung. Unter optimalen Bedingungen sollte eine Keimzahl von unter 20.000 KbE (koloniebildenden Einheiten) pro ml zu erzielen sein.
Eine rasche Kühlung unter 4 °C trägt wesentlich zur Hofmilchqualität bei. Dies reduziert das Bakterienwachstum deutlich und verbessert so die Haltbarkeit der Milch.
Der Einfluss der Temperatur auf das Bakterienwachstum in Rohmilch wird in Abb. 4.18 illustriert. Ausgehend von 300.000 KbE/ml wird deutlich, wie stark sich die Kühlung auf 4 °C im Vergleich zu höheren Temperaturen auf die Vermehrungsgeschwindigkeit der Bakterien auswirkt. Ein Kühlen auf 4 °C oder noch weiter auf 2 °C unmittelbar beim Melken macht eine zweitägige Milchabholung möglich, sofern der Milchtank isoliert ist.
Es gibt im Prinzip drei Kontaminationsquellen: die Kuh, die Zitzen und das Euter sowie alles, mit dem die Milch in Berührung kommt. In Rohmilch guter Qualität (<20.000 KbE/ml) kommen nur wenige Bakterienarten vor (vgl. Tabelle 4.5).
Häufigkeit von Bakterienhauptgruppen in Rohmilch mit einer geringen Anzahl von Bakterien.
Gruppe | Häufigkeit, % |
---|---|
Micrococcus | 30 – 99 |
Streptococcus | 0 – 50 |
Asporogene Gram-positive Stäbchen | <10 |
Gram-neg. Stäbchen | <10 |
Sporenbildner | <10 |
Sonstige | <10 |
BAKTERIEN IN PASTEURISIERTER MILCH
Die Hocherhitzung (HTST = Erhitzung auf hohe Temperatur mit kurzer Heißhaltezeit) von Milch tötet die hitzeempfindlichen Mikroorganismen ab. Alle Überlebenden sind Sporenbildner, Corynebakterien und ein paar andere Gram-positive Stäbchen und Kokken. Diese relativ hitzeresistente Flora nennt man thermodure Keime. In qualitativ hochwertiger Milch liegt die Zahl der thermoduren Keime in der Regel bei 200 – 300 KbE/ml.
Das Vorkommen von Gram-negativen Bakterien in HTST-Milch resultiert aus wasserbedingten Reinfektionen wie beispielsweise aufgrund von Leckagen oder anderen unhygienischen Bedingungen. Da viele Gram-negative Bakterien bei Kühltemperaturen gut wachsen, verderben sie hocherhitzte Milch innerhalb weniger Tage. Daher ist eine ständige Laborkontrolle auf Gram-negative Keime nötig.
PILZE
Pilze sind Mikroorganismen, die häufig in der Natur zwischen Pflanzen, Tieren und Menschen vorkommen. Die verschiedenen Arten von Pilzen variieren in ihrer Struktur und ihrer Art, sich zu vermehren. Pilze können rund, oval oder fadenförmig sein. Die Fäden (Hyphen) bilden ein Netzwerk, das mit dem bloßem Auge sichtbar ist, beispielsweise in Form von Schimmel auf Lebensmitteln. Pilze werden eingeteilt in Hefen und Schimmelpilze.
- Hefen
- Schimmel
HEFEN
Hefen sind einzellige Organismen mit einer kugelförmigen, elliptischen oder zylindrischen Form. Die Größe der Hefezellen variiert erheblich. Bierhefe, Saccharomyces cerevisiae, hat einen Durchmesser von 2 bis 8 μm und eine Länge von 3 bis 15 μm. Manche Hefezellen anderer Arten können bis zu 100 μm lang werden.
Hefen haben, ebenso wie Schimmel, eine komplexere innere Struktur als Bakterien. Sie beinhalten Zytoplasma und einen klar erkennbaren Zellkern, der von einer Kernmembran (siehe Abb. 4.19) umgeben ist. Die Zelle wird von einer Wand und einer Zellmembran umschlossen, die Nährstoffe von Außen und Abfallprodukte aus dem Inneren der Zelle durchlässt.
Die Zelle besitzt eine Vakuole, die als Raum für Reservenährstoffe und für Abfallprodukte dient, bevor sie aus der Zelle freigesetzt werden. Fettkügelchen und Kohlenhydratpartikel sind in das Zytoplasma eingebettet. Im Zytoplasma befindet sich zudem ein feines Netzwerk an Membranen (endoplasmatisches Reticulum), Mitochondrien (in denen die Energie für das Zellwachstum erzeugt wird) sowie Ribosomen.
VERMEHRUNG VON HEFEN
Hefezellen vermehren sich normalerweise durch Sprossung, wie in Abbildung 4.20 ersichtlich ist. Es gibt aber auch noch andere Methoden der Vermehrung. Sprossung ist ein asexueller Prozess. Auf der Zellwand der Mutterzelle entwickelt sich eine kleine Sprosse. Nach einer Weile wird das Zytoplasma zwischen der Mutter- und der Nachkommen-Zelle geteilt. Eventuell wird die Sprosse von der Mutterzelle durch eine Doppelwand abgetrennt.
Die neue Zelle trennt sich nicht immer von ihrer Mutter und kann mit ihr verbunden bleiben, um später neue Sprossen zu bilden. Die Nachkommen- Zelle kann auch frische Sprossen aus sich selbst bilden. Dies kann zu großen Clustern von Zellen führen, die miteinander verbunden sind.
Manche Hefetypen vermehren sich sexuell. Wie Abbildung 4.21 zeigt, geschieht dies durch Bildung von Sporen, Ascosporen und Basidiosporen (nicht zu verwechseln mit Bakteriensporen). Zwei Zellen verschmelzen miteinander und die beiden Zellkerne ebenfalls. Nach der Teilung des Erbmaterials werden in den Zellen acht Ascosporen gebildet, die jede einen gleichen Satz an DNS haben. Wenn die Sporen reifen, werden sie freigesetzt, keimen und formen neue Zellen, die sich asexuell über Sprossung vermehren.
BEDINGUNGEN FÜR DAS WACHSTUM VON HEFEN
Umwelt und Nährstoffe
Hefen brauchen ebenso Nährstoffe wie andere lebende Organismen. Normalerweise gedeihen sie dort, wo Zucker vorhanden ist, z. B. auf Früchten, Blumen oder der Rinde von Bäumen. Ein paar Arten sind für Tiere und Menschen pathogen. Hefen sind die dominierenden Verderbniserreger von Fruchtsaft. Wie Bakterien besitzen sie ein System aus intrazellulären und extrazellulären Enzymen, die in der Lage sind, große Moleküle zu einer für den Stoffwechsel handhabbaren Größe abzubauen. Im Labor werden Hefen in zuckerreichen Substraten mit einem pH-Wert von 5 bis 6 gezüchtet.
Feuchtigkeit
Wie Bakterien, brauchen auch Hefen Zugang zu Wasser, um überleben zu können; sie benötigen jedoch weniger Wasser als Bakterien. Manche Arten können in einem Medium mit einem sehr geringen Wassergehalt, wie z. B. Honig oder Marmelade, wachsen.
Säure
Hefen können in einem Medium mit pH-Werten von 3 bis 7,5 wachsen. Der optimale pH-Wert liegt bei 5 bis 6.
Temperatur
Hefezellen wachsen normal nicht bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt von Wasser oder über 47 °C. Die optimale Temperatur liegt zwischen 20 bis 30 °C. Viele Gattungen enthalten psychrotrophe Arten, wie z. B. Candida, Cryptococcus, Rhodotorula und Torulopsis.
Wachsende Zellen werden gewöhnlich innerhalb von 5 bis 10 Minuten bei Temperaturen von 52 bis 58 °C abgetötet. Sporen (Ascosporen) sind zwar resistenter, aber auch sie sterben ab, wenn sie für ein paar Minuten Temperaturen von 60 bis 62 °C ausgesetzt sind.
Sauerstoff
Hefen können sowohl mit als auch ohne Luftsauerstoff wachsen, d. h. Hefezellen sind fakultativ anaerob. Bei Abwesenheit von Sauerstoff baut Hefe Zucker zu Alkohol und Wasser ab, während Hefe unter Anwesenheit von Sauerstoff Zucker zu Kohlendioxid und Wasser abbaut. Ist Sauerstoff vorhanden, wachsen Hefezellen schneller.
- Nährstoffe
- Feuchtigkeit
- Säure
- Temperatur
- Sauerstoff
EINTEILUNG VON HEFEN
Hefen werden – je nach ihrer Fähigkeit zur Sporenproduktion (Ascosporen, Basidiosporen) – in drei Gruppen eingeteilt. Arten, die Sporen bilden, gehören zu der Gruppe der Ascomyceten und Basidiomyceten. Arten, die keine Sporen bilden, sich aber hauptsächlich durch Sprossung vermehren, gehören zu der Gruppe der Fungi imperfecti.
BEDEUTUNG VON HEFEN
Hefen sind aus Sicht der Molkerei grundsätzlich unerwünschte Organismen. Eine Ausnahme bildet hier Kefir, ein gesäuertes Produkt aus Russland, das mit einer Kultur aus Hefen und Milchsäurebakterien fermentiert wird. Hefeorganismen sind ansonsten unerwünscht in Molkereien, da sie ernsthafte Fehler in gesäuerten Produkten einschließlich Käse und Butter hervorrufen können. Andererseits sind sie für die Brau-, Wein-, Back-, und Brennereiindustrie wichtige Helfer.
SCHIMMEL
Die Kategorie der Schimmel umfasst eine sehr heterogene Gruppe mehrzelliger, fadenartiger Pilze.
Schimmel bestehen aus fadenartigen Zellsträngen, die Hyphen genannt werden. Die Masse an Hyphen, die mit dem bloßen Auge erkennbar ist, nennt man Mycel. Hyphen können Zwischenwände zwischen den Zellen haben und sind normalerweise verzweigt. Hyphen sind der, meist farblose, vegetative Teil des Schimmels. Sie sondern Enzyme ab, mit denen sie Lebensmittel abbauen (vgl. Abb. 4.22).
Während die Schimmelkolonie wächst, verbreiten sich die Hyphen und das Mycel aus dem Zentrum heraus.
VERMEHRUNG VON SCHIMMEL
Schimmel vermehren sich durch Sporen verschiedenster Typen. In der gleichen Art kann sowohl die sexuelle als auch die asexuelle Vermehrung vorkommen. Die asexuellen Sporen haben dicke Wände und sind relativ resistent gegen Austrocknen. Manche Arten haben sehr hitzeresistente sexuelle Sporen. Ein Schimmel kann für eine relativ lange Zeit latent in Sporenform verborgen bleiben.
Die asexuellen Sporen, Konidien, stellen die am häufigsten vorkommende Art der Vermehrung beim Schimmel dar. Sie werden in enormer Anzahl produziert. Sie sind sehr klein und leicht und können durch Luftströmungen verbreitet werden, wodurch der Schimmel sich überall verteilt. Dies ist normal, kommt jeden Tag vor, und stellt die Milchindustrie häufig vor Probleme.
STOFFWECHSEL VON SCHIMMELN
Schimmelpilze stoffwechseln auf eine sehr ähnliche Art wie Hefen. Sie sind gut ausgestattet mit Enzymen, die sie dazu nutzten, eine Vielzahl an organischen Substanzen abzubauen. Aus Sicht der Molkerei ist die Wirkung von Schimmeln auf Fett und Protein von besonderem Interesse. Das Wachstum von Schimmelmycelen wird in Abbildung 4.24 dargestellt.
Feuchtigkeit
Schimmelpilze können auf Material mit einem sehr niedrigen Wassergehalt wachsen und Wasser aus feuchter Luft entnehmen.
Wasseraktivität (aw-Wert)
Schimmel sind toleranter gegenüber einem niedrigen aw-Wert als andere Gruppen von Mikroorganismen. Manche können auch Konzentrationen von Zucker und Salz mit hohem osmotischen Druck tolerieren, z. B. Fruchtkonserven und gezuckerte Kondensmilch.
Sauerstoff
Schimmel wachsen normalerweise unter aeroben Bedingungen. Sauerstoff ist notwendig für die Bildung von Konidien und das Wachstum des Mycels.
Temperatur
Die optimale Wachstumstemperatur für die meisten Schimmel liegt zwischen 20 und 30 °C.
Säure
Schimmel können in einem Medium mit pH-Werten von 3 bis 8,5 wachsen. Viele Arten bevorzugen jedoch eine saure Umgebung, z. B. Käse, Joghurt, Zitrusfrüchte und Fruchtsäfte.
BEDEUTUNG VON SCHIMMEL IN DER MOLKEREI
Ebenso wie Hefen können Schimmel normale Pasteurisationstemperaturen von 72 bis 74 °C für beispielweise 10 bis 15 Sekunden nicht überleben. Das ungewollte Vorkommen dieser Organismen ist daher ein Zeichen für eine Reinfektion.
Es gibt sehr viele verschiedene Familien an Schimmeln. Einige Gruppen, die für die Molkereiindustrie von Bedeutung sind, sind Penicillium und der Milchschimmel, Geotrichum candidum.
PENICILLIUM
Die Gattung Penicillium ist eine der verbreitetsten Schimmelarten. Die sporenformende Hyphen dieser Familie sind an der Spitze verzweigt, ähnlich wie bei einer Bürste. Zu dieser Familie gehört auch der in der Natur weit verbreitete grüne Schimmel. Manche Arten von Penicillia spielen in Molkereiprozessen eine wichtige Rolle. Ihre Eigenschaft, Protein und Fette zu spalten, machen sie zu den wichtigsten Organismen für die Reifung von Blauschimmelkäse, Camembert, usw. Schimmel für Blaukäse wird Penicillium roqueforti genannt und der Camembertschimmel Penicillium camemberti. Siehe auch Abb. 4.23.
MILCHSCHIMMEL
Der Milchschimmel Geotrichum candidum liegt auf der Grenzlinie zwischen Hefen und Schimmeln. Seine Vermehrung ist ähnlich der von Hefeorganismen; der äußere Teil der Hyphe wird in einem Prozess abgeschnürt, welcher der Sprossung ähnelt. Seine Struktur ist in Abb. 4.25 ersichtlich. Der Schimmel kommt auf der Oberfläche von fermentierter Milch als feine, weiße Schicht vor. Dieser Schimmel trägt zur Reifung von Weich- und halbfesten Schnittkäse bei. In Butter kann er zu Ranzigkeit führen.
Schimmel auf der Oberfläche von Käse und Butter kann zu Farbfehlern führen und dem Produkt einen Fehlgeschmack geben. Um Produkte bei der Verarbeitung vor Schimmelbefall zu schützen, ist in der Molkerei strikte Hygiene nötig. So müssen beispielsweise Wände und Decken absolut sauber gehalten werden, damit sich dort kein Schimmel ansiedeln kann.
BAKTERIOPHAGEN
Der englische Wissenschaftler Twort entdeckte 1915, dass bestimmte Staphylococcen-Kulturen abgebaut werden. Einige Jahre später ging der kanadische Wissenschaftler d'Herelle, nachdem er ähnliche Beobachtungen gemacht hatte, davon aus, dass dieses Phänomen durch unsichtbare Organismen, die in Bakterien eindringen, verursacht wurde. Er nannte sie Bakteriophagen.
Bakteriophagen sind Viren, die Bakterien befallen. Sie können von selbst überleben, aber sie können sich ohne Bakterienzellen nicht vermehren. Bakteriophagen haben sehr spezifische Wirte, z. B. einzelne Arten oder Stämme von Bakterien.
STRUKTUR VON BAKTERIOPHAGEN
Bakteriophagen oder Phagen variieren stark in der Größe; um sie zu sehen, benötigt man ein Elektronenmikroskop. Eine der größten ist die T-Phage, die Escherichia coli und nahe verwandte Bakterien infiziert. Die T-Phagen haben einen „Kopf" und einen „Schwanz" und eine Größe von 0,03 bis 0,3 μm. Eine schematische Zeichnung einer Phage ist in Abb. 4.26 zu sehen.
VERMEHRUNG VON BAKTERIOPHAGEN
Phagen attackieren wachsende Bakterien, mittels derer sie sich reproduzieren können. Die Bakterien lösen sich nach und nach auf, wobei je Bakterie 10 bis 200 Phagen freigesetzt werden, um neue Zellen anzugreifen. Das Szenario ist in Abb. 4.27 dargestellt.
Die Phage heftet sich auf der Oberfläche des Wirtes (1) und injiziert die DNS in die Zelle. Die zelluläre „Maschinerie" produziert dann neue Phagen-DNS und Phagen-Proteine (2; 3). Die neuen Phagen sammeln sich in der Bakterienzelle (4), die dann lysiert (5) und die reifen Phagen freisetzt.
Abschliessende bemerkungen
Die große Anzahl an Bakterien, Hefen und Schimmeln sowie ihre Bandbreite an Aktivitäten sind von allergrößter Wichtigkeit für das Leben auf der Erde und speziell für die Menschheit.
Mikroorganismen im Boden und Wasser sind dafür verantwortlich, dass Quellen an anorganischer Nahrung so abgebaut werden, dass sie von Pflanzen aufgenommen werden können. Dadurch bieten sie eine indirekte Dienstleistung für das Tierreich, einschließlich der Menschen.
Menschen profitieren zudem direkt von Mikroorganismen. So können milchsäurebildende Mikroorganismen z. B. zur Haltbarmachung von Futter (Silage) eingesetzt werden. Dieses Prinzip wird auch bei der Herstellung bestimmter Lebensmittel wie Sauerkraut, grüne Oliven und Gurken angewendet.
Mikroorganismen sind für die Herstellung vieler Milchprodukte wie Joghurt, Käse und Sauerrahmbutter von größter Bedeutung. Um die Qualität dieser Produkte zu verbessern, ist die Auswahl der richtigen Mikroorganismentypen sehr wichtig.
Mikroorganismen für den Einsatz in der Herstellung von Milchprodukten werden von Firmen geliefert, die sich auf ihre Entwicklung und Vermehrung unter streng kontrollierten Hygienebedingungen spezialisiert haben. Die Mikroorganismen, die in der Molkereiindustrie eingesetzt werden, nennt man Starterkulturen. Eine Starterkultur besteht beispielsweise aus einer Mischung von Organismen, die Milchsäure bilden, indem sie die Laktose in der Milch fermentieren. Es ist wichtig, dass die Qualität der Starterkulturen nach der Ankunft in der Molkerei gesichert wird, indem hohe Hygienestandards eingehalten werden. Beim Einsatz der Starterkulturen muss bei den kritischen Schritten im Prozess Steriltechnik eingesetzt werden.
In diesem Zusammenhang sollte erwähnt werden, dass die Milch – durch die Behandlung von unter Mastitis leidenden Kühen – Antibiotikarückstände enthalten kann. Das am weitesten verbreitetste Antibiotika in diesem Zusammenhang ist Penicillin. Ungeachtet der Regelungen, die besagen, dass Milch von mit Antibiotika behandelten Kühen nicht an die Molkerei abgegeben werden darf, findet man ausreichend hohe Mengen an Antibiotika in Milch, die das Wachstum von Starterkulturen stoppen oder verzögern können. Abb. 4.28 zeigt, welchen Einfluss schon geringste Mengen an Penicillin auf die meisten Starterkulturen haben.
Da Rohmilch normalerweise mit Bakteriophagen kontaminiert ist, ist es wichtig, dass Milch, die für Starterkulturen eingesetzt wird (Magermilch) zur Inaktivierung der Phagen für 30 Minuten auf 90 °C erhitzt wird. Abb. 4.29 zeigt, was passiert, wenn dies nicht erfolgt, oder die Milch hinterher mit Phagen rekontaminiert wird. Die Zeit, die ein „nicht infiziertes" Bakterium benötigt, um vier neue Bakterien zu produzieren, entspricht zwei Generationen. Im gleichen Zeitraum infiziert eine Phage ein Bakterium, das innerhalb nur einer Generationszeit 150 neue Phagen freisetzt. Diese Phagen infizieren 150 neue Bakterien und in einer weiteren Generationszeit werden 22.500 Phagen freigesetzt. Dies ist der Grund, warum eine phageninfizierte Starterkultur nach einer Weile plötzlich zusammenbricht.
Es wäre eine falsche Idealisierung der Mikroorganismen, wenn vergessen würde, darauf hinzuweisen, dass manche von ihnen – die pathogenen Mikroorganismen – als die größten Feinde der Menschheit betrachtet werden. Die Bedrohung für Menschen wird wegen des Einsatzes von Antibiotika immer größer. Manche Pathogene sind bereits resistent gegen alle Arten von Antibiotika. Wahr ist aber auch, dass das Leben für Menschen und viele andere lebende Organismen ohne die Vielzahl an harmlosen Mikroorganismen nicht möglich wäre.
Die Pasteurisation für den Verzehr bestimmter Milch in Molkereien wurde in den meisten Ländern gesetzlich geregelt. Eine typische Temperatur-Zeit- Kombination für die Pasteurisation ist 72 °C über eine Zeit von 15 bis 20 Sekunden, bei der alle pathogenen Keime abgetötet werden. Um eine Rekontamination zu verhindern, ist eine gute Hygienepraxis von entscheidender Bedeutung.